Rz. 65
Nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO ist eine Außenprüfung zulässig, wenn
- die für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse der Aufklärung bedürfen und
- eine Prüfung an Amtsstelle nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts nicht zweckmäßig ist.
Die Aufklärungsbedürftigkeit der für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, dessen Auslegung und Anwendung auf den Einzelfall uneingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt.
Über die Frage, ob eine Prüfung an Amtsstelle unzweckmäßig ist, hat die Finanzbehörde demgegenüber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, dessen Ausübung von den Gerichten nur in den Grenzen des § 102 FGO überprüft werden kann.
Rz. 66
In der Voraussetzung, dass die steuerlichen Verhältnisse der Aufklärung bedürfen, unterscheidet sich die Außenprüfung als besonderes Verfahren im Rahmen der Durchführung der Besteuerung nicht von den Einzelermittlungsmaßnahmen, die das FA aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes zu ergreifen hat. Hier wie dort hat die Finanzverwaltung die für die Besteuerung bedeutsamen Verhältnisse zu ermitteln, wenn und soweit vorhandene Lücken im Sachverhalt zu schließen sind. Hier wie dort darf sie nicht "ins Blaue hinein" tätig werden, sondern braucht Anhaltspunkte dafür, dass möglicherweise eine Steuerschuld entstanden bzw. dass Steuern verkürzt oder zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen zu Unrecht gewährt oder versagt worden sind. Dass in tatsächlicher oder rechtlicher Beziehung Zweifel an der Erfüllung eines Besteuerungstatbestands bestehen, ist unerheblich, weil der Zweck der Ermittlungsmaßnahmen – an Amtsstelle oder im Rahmen einer Außenprüfung – gerade darin besteht, diese Zweifel zu beheben. Es reicht daher aus, dass nach der allgemeinen Erfahrung der Finanzbehörden die Möglichkeit der Verwirklichung eines Steuertatbestands besteht.
Aufklärungsbedürftigkeit besteht insbesondere, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Stpfl. die Steuererklärungen nicht, nicht vollständig oder unrichtig abgegeben hat. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn umfangreiche Sachverhalte zu beurteilen sind, die schwierige Abgrenzungsfragen aufwerfen. Ein Aufklärungsbedürfnis kann sich auch daraus ergeben, dass ein Stpfl. hohe Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt, jedoch nur geringe Kapitaleinkünfte erklärt und keine substanziierten und nachprüfbaren Angaben zur Verwendung der Geldmittel macht. Demgegenüber begründete die Höhe der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für sich allein bis zur Einbeziehung der Stpfl. i. S. d. § 147a AO in den Anwendungsbereich des § 193 Abs. 1 AO kein (abstraktes) Aufklärungsbedürfnis i. S. von § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO.
Rz. 67
Die weitere Voraussetzung, dass eine Prüfung an Amtsstelle nicht zweckmäßig ist, ist von der Finanzbehörde nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalt zu beurteilen. Die Höhe möglicher steuerlicher Auswirkungen allein rechtfertigt eine Außenprüfung nicht.
Innerhalb ihres Ermessensspielraums handelt die Finanzbehörde insbesondere dann, wenn sie die Prüfung bei dem Stpfl. anordnet, weil eine größere Anzahl von Lebensvorgängen mit einem größeren Zeitaufwand zu prüfen ist, in nicht unerheblichem Umfang Belege geprüft oder Unterlagen herangezogen werden müssen oder wenn häufige Auskünfte des Stpfl. erforderlich erscheinen. Im Rahmen der Zweckmäßigkeitsprüfung hat das FA auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die Belastung des Stpfl. durch eine Außenprüfung ist daher nur zulässig, wenn Einzelermittlungen keinen Erfolg versprechen.
Ist die Außenprüfung nach diesen Kriterien zweckmäßig, wird sie nicht dadurch unzulässig, dass mangels eines geeigneten Raums bei dem Stpfl. an Amtsstelle geprüft werden muss. Denn die Regelung, an welchem Ort die Prüfung durchgeführt wird, wird in einem gegenüber der Prüfungsanordnung selbständigen Verwaltungsakt getroffen. Aus der Notwendigkeit, die Prüfung an einem bestimmten Ort durchzuführen, kann daher nicht auf die Unzulässigkeit der Prüfung geschlossen werden.