6.3.1 Auswertungszwecke
Rz. 46
§ 194 Abs. 3 AO lässt die Auswertung der zu den Verhältnissen anderer Personen getroffenen Feststellungen insoweit zu, als ihre Kenntnis für die Besteuerung dieser anderen Personen von Bedeutung ist oder die Feststellungen eine unerlaubte Hilfeleistung in Steuersachen betreffen.
Der Begriff "Besteuerung" umfasst das gesamte steuerliche Verfahren von der Steuerfestsetzung bzw. der ihr vorgeschalteten gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen bis zur Steuererhebung. Dazu gehören ggf. auch Entscheidungen über die Gewährung von Billigkeits- oder die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen. Eine unerlaubte – bzw. nach der Teminologie des StBerG "unbefugte" – Hilfeleistung in Steuersachen liegt bei der Erbringung geschäftsmäßiger Hilfe in Steuersachen durch andere als die in den §§ 3, 3a, 3d und 4 StBerG bezeichneten Personen und Vereinigungen oder entgegen einer vollziehbaren Untersagungsanordnung nach § 7 StBerG vor. Die unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Die sich aus § 194 Abs. 3 AO ergebenden Grenzen für die Anfertigung von Kontrollmitteilungen sind auch bei in DBA enthaltenen Amtshilferegelungen zur Erteilung von Spontanauskünften zu beachten.
Rz. 47 einstweilen frei
6.3.2 Ermöglichung der Auswertung durch Kontrollmitteilungen
Rz. 48
Um die Auswertung zu ermöglichen, hat die für die Außenprüfung zuständige Finanzbehörde die für die Besteuerung der anderen Personen oder die Verfolgung der unerlaubten Hilfeleistung in Steuersachen zuständigen Finanzbehörden über die insoweit getroffenen Feststellungen zu unterrichten. Dies geschieht durch sog. Kontrollmitteilungen. Kontrollmaterial über Auslandsbeziehungen ist auch dem BZSt zur Auswertung zu übersenden. Kontrollmitteilungen stellen kein spezifisches Institut der Außenprüfung darstellen, sondern sind auch in anderen Fällen üblich und zum Teil ausdrücklich vorgesehen, um den Finanzbehörden die Erfüllung des ihnen nach § 85 AO obliegenden Vollzugsauftrags zu ermöglichen.
Rz. 49
Gesetzlich geregelt sind Kontrollmitteilungen z. B.
- als sog. Spontanauskünfte in DBA,
- als sog. spontane Übermittlung von Informationen an bzw. durch andere Mitgliedstaaten in §§ 8, 9 EUAHiG,
- als Mitteilungen zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und des Leistungsmissbrauchs in § 31a AO,
- als allgemeine Mitteilungspflichten in Rechtsverordnungen aufgrund von § 93a AO,
- als Anzeigepflichten gegenüber den Finanzbehörden in Erbfällen oder in Grunderwerbsfällen.
Rz. 50
Soweit sie lediglich als Mittel der ressortinternen Amtshilfe dienen, bedürfen Kontrollmitteilungen keiner besonderen gesetzlichen Grundlage. § 194 Abs. 3 AO hat daher nur klarstellenden Charakter und findet seine einzige Schranke in § 30 AO.
Die weitergehende Einschränkung, die § 30a Abs. 3 S. 2 AO für Guthabenkonten und Depots bei Kreditinstituten vorsah, ist mit der Aufhebung dieser Vorschrift durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz v. 23.6.2017 mit Wirkung vom 25.6.2017 weggefallen. Bei der Prüfung von Kreditinstituten dürfen daher nunmehr auch Kontrollmitteilungen über deren Kunden erteilt werden.
Rz. 51
Die Erteilung von Kontrollmitteilungen setzt keinen besonderen Anlass voraus. Sie ist insbesondere nicht davon abhängig, dass der Verdacht einer Steuerverkürzung durch den von der Mitteilung Betroffenen besteht. Es reicht aus, dass die in Bezug auf andere Personen getroffenen Feststellungen bei objektiver Betrachtung für deren Besteuerung von Bedeutung sein können. Es braucht nicht festzustehen, dass dies tatsächlich der Fall ist oder dass überhaupt eine Steuerpflicht des Dritten besteht. Denn die Kontrollmitteilung dient gerade dazu, dem Empfänger die erforderliche Überprüfung zu ermöglichen. In der Praxis werden Kontrollmitteilungen allerdings zumeist dann gefertigt, wenn bei dem von dem Prüfer festgestellten Sachverhalt die naheliegende Möglichkeit einer unzutreffenden Behandlung durch den von der Mitteilung Betroffenen besteht.
Rz. 52
§ 194 Abs. 3 AO enthält keine Bestimmung, die die Erteilung von Kontrollmitteilungen insoweit ausschließt, als dem geprüften Stpfl. in Bezug auf die Verhältnisse der anderen Personen ein Auskunftsverweigerungsrecht nach §§ 101ff. AO zusteht. In der Begründung des Regierungsentwurfs zur AO wurde der Verzicht auf eine solche Einschränkung damit begründet, dass der geprüfte Stpfl., soweit er bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken habe, nicht Dritter sei und kein Auskunftsverweigerungsrecht habe. Anderenfalls könne der geprüfte Stpfl. durch Vorlage eines entsprechenden Belegs ggf. den Abzug eines gezahlten Betrags erreichen, ohne dass geprüft werden könne, ob der Empfänger den Betrag versteuert habe. Damit könne die – jetzt in § 160 AO enthaltene – Vorschrift über die Empfängerbenennung umgangen werden. Dieser Wertung hat sich der Finanzausschuss des Bundestags angeschlossen. Die ...