1.1 Inhalt und Bedeutung
Rz. 1
§ 20 AO regelt die örtliche Zuständigkeit für die Besteuerung von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen nach dem Einkommen und Vermögen, wobei die verschiedenen, sich aus den Abs. 1-4 ergebenden Anknüpfungsmerkmale in einem Stufenverhältnis stehen.
Nach Abs. 1 ist das FA örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung befindet.
Für den Fall, dass sich die Geschäftsleitung nicht im Geltungsbereich der AO befindet oder sich der Ort der Geschäftsleitung nicht feststellen lässt, erklärt Abs. 2 das FA für örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Stpfl. ihren Sitz hat.
Ist weder die Geschäftsleitung noch der Sitz im Geltungsbereich der AO, ist nach Abs. 3 in das FA örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen der Stpfl. befindet; trifft dies auf mehrere FÄ zu, ist das FA zuständig, in dessen Bezirk sich der wertvollste Teil des Vermögens befindet.
Ist keine der Voraussetzungen der Abs. 1-3 erfüllt, ist nach Abs. 4 das FA örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Tätigkeit im Geltungsbereich des Gesetzes vorwiegend ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist.
1.2 Anwendungsbereich
Rz. 2
§ 20a AO bezieht sich nur auf den Fall, dass die Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen als solche steuerpflichtig sind. Keine Anwendung findet sie daher auf Personengesellschaften, deren Einkünfte den daran beteiligten Personen zugerechnet werden. Dies gilt – entgegen einer in der Literatur verbreiteten Auffassung – auch für den Fall, dass eine gesonderte Feststellung dieser Einkünfte nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO unterbleibt, weil es sich um einen Fall geringer Bedeutung i. S. v. § 180 Abs. 3 AO handelt. Das Unterbleiben der gesonderten Feststellung ändert nichts daran, dass die fraglichen Einkünfte nicht der Personengesellschaft selbst, sondern den an ihr beteiligten Personen zuzurechnen sind. Es hat lediglich zur Folge, dass diese Einkünfte unmittelbar im Rahmen der Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerveranlagungen der Beteiligten zu erfassen sind.
Die Zuständigkeit für die Besteuerung nach dem Einkommen betrifft daher allein Steuersubjekte, die der KSt-Pflicht unterliegen. Dazu gehören seit dem 1.1.2022 auch Personengesellschaften, die nach § 1a KStG i. d. F. des G v. 25.6.2021 zur KSt-Pflicht optiert haben. Die Abs. 1 und 2, die auf den Ort der Geschäftsleitung bzw. des Sitzes abstellen, gelten für unbeschränkt Stpfl. i. S. v. § 1 KStG. Die Abs. 3 und 4, die auf die Belegenheit des Vermögens bzw. die Ausübung oder Verwertung der Tätigkeit abstellen, gelten für beschränkt Stpfl. i. S. v. § 2 Nr. 1 KStG, die nur mit ihren inländischen Einkünften körperschaftsteuerpflichtig sind.
Die Zuständigkeit für die Besteuerung nach dem Vermögen hat keine praktische Bedeutung mehr, weil die VSt seit Ablauf des Jahres 1996 nicht mehr erhoben wird.
Rz. 3
Die sich aus § 20 AO ergebende Zuständigkeit umfasst nach dem Grundsatz der Gesamtzuständigkeit grundsätzlich alle Verwaltungstätigkeiten der Finanzbehörde, die sich aus dem Besteuerungsverfahren ergeben, d. h. Festsetzung, Rechtsbehelfsverfahren, Erhebung und Vollstreckung. Soweit der BFH in einer zur Beitreibung nach dem EUBeitrG ergangenen Entscheidung die Auffassung vertreten hat, die Zuständigkeit nach § 20 Abs. 3 AO betreffe nur das Besteuerungs-, nicht aber das Vollstreckungsverfahren, wendet die Finanzverwaltung die Entscheidung über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht an.
Zur Zuständigkeit nach § 20 AO gehören auch die Durchführung von Außenprüfungen und die Erteilung von verbindlichen Auskünften. Außerdem ist das nach § 20 AO zuständige FA aufgrund entsprechender Verweisungen für die Festsetzung der Investitionszulage sowie für die gesonderte Feststellung nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und S. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO zuständig, wenn der Erklärungspflichtige der Körperschaftsteuerpflicht unterliegt. Schließlich wird das nach § 20 AO zuständige FA aufgrund von § 24 AO i. d. R. auch für Haftungsfälle im Zusammenhang mit der KSt zuständig sein.