2.1 Unternehmen, die Bauleistungen erbringen

 

Rz. 4

§ 20a Abs. 1 S. 1 AO regelt die Zuständigkeit für die "Besteuerung von Unternehmen" in Fällen, in denen der Unternehmer oder das Unternehmen die im letzten Satzteil genannten Ansässigkeitsmerkmale erfüllt. Die Verwendung des Begriffs "Unternehmen" im Zusammenhang mit den Steuern vom Einkommen (ESt, KSt) ist terminologisch verunglückt, weil diese Steuern nicht von dem Unternehmen, sondern von demjenigen geschuldet werden, der das Unternehmen betreibt. Dies ist der Unternehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG.[1] Dabei kann es sich um eine natürliche Person, eine juristische Person oder einen Zusammenschluss natürlicher und/oder juristischer Personen handeln.[2]

 

Rz. 5

Weitere Voraussetzung ist, dass das Unternehmen – richtigerweise der Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens – Bauleistungen i. S. v. § 48 Abs. 1 S. 3 EStG erbringt. Dies sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Bauwerke sind nicht nur Gebäude, sondern sämtliche irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen, z. B. Brücken, Straßen oder Tunnel, Versorgungsleitungen, Windkraftanlagen.[3] Zu den Bauleistungen gehören auch die Herstellung des Hausanschlusses für Zwecke der Energieversorgung[4] und künstlerische Leistungen an Bauwerken, die sich unmittelbar auf die Substanz auswirken.[5] Keine Bauleistungen sind hingegen reine Planungs-, Vergabe- und Überwachungsleistungen[6], Materiallieferungen, Geräteüberlassungen, Wartungs-, Reinigungs- und Entsorgungsleistungen sowie die Bepflanzung der Außenanlagen.[7] Werden im Rahmen eines Vertragsverhältnisses mehrere Leistungen erbracht, bei denen es sich teilweise um Bauleistungen handelt, kommt es darauf an, welche Leistung im Vordergrund steht, also der vertraglichen Beziehung das Gepräge gibt.[8]

Die Person des Leistungsempfängers ist im Rahmen des § 20a Abs. 1 S. 1 AO ohne Bedeutung. Anders als die Abzugsverpflichtung nach § 48 Abs. 1 S. 1 EStG hängt die Zuständigkeitsregelung nicht davon ab, dass der Leistungsempfänger selbst Unternehmer i. S. d. § 2 UStG oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist.[9]

[1] Ebenfalls kritisch zur Terminologie: Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 20a AO Rz. 27; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 20a AO Rz. 14.
[2] S. zum Unternehmerbegriff im Einzelnen Horn, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 21 AO Rz. 5.
[9] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 20a AO Rz. 30; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 20a AO Rz. 16; a. A. Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 20a AO Rz. 1.

2.2 Ansässigkeit des Unternehmers im Ausland

 

Rz. 6

Nach dem letzten Satzteil des § 20a Abs. 1 S. 1 AO gilt die von §§ 19, 20 AO abweichende Zuständigkeitsregelung unter der Voraussetzung, dass "der Unternehmer seinen Wohnsitz oder das Unternehmen seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes hat". Wie sich aus der alternativen Aufzählung ergibt, reicht es aus, dass jeweils ein Anknüpfungspunkt für den Auslandsbezug vorhanden ist.[1]

Fraglich ist allerdings, wie der Fall zu beurteilen ist, dass das in Betracht kommende Anknüpfungsmerkmal sowohl im Inland als auch im Ausland verwirklicht ist. Praktische Bedeutung hat dies vor allem für den Wohnsitz des Unternehmers, weil eine natürliche Person mehrere Wohnsitze – und zwar sowohl im Inland wie im Ausland – haben kann.[2] Die Verwendung der Possessivpronomina "seinen" bzw. "seine" spricht dafür, dass die einzelnen Anknüpfungsmerkmale nach Vorstellung des Gesetzgebers jeweils ausschließlich im Ausland verwirklicht sein müssen. Im Fall der für die USt geltenden Zentralzuständigkeit nach § 21 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 und 2 UStZuStV geht die Finanzverwaltung allerdings davon aus, dass diese auch für den Fall gilt, dass der Unternehmer sowohl im Inland als auch im Ausland einen Wohnsitz hat, und empfiehlt unter bestimmten Voraussetzungen den Abschluss einer Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO.[3]

Werden Bauleistungen durch Organteile erbracht, ist grundsätzlich der Organträger leistender Unternehmer.[4] Die Wirkungen der Organschaft sind allerdings auf Innenleistungen zwischen den im Inland belegenen Unternehmensteilen beschränkt.[5] Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als Unternehmer[6], sodass § 20a Abs. 1 S. 1 AO nicht anwendbar ist.[7]

[1] Schmieszek, in...

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