Rz. 15
Sicherstellen bedeutet Entziehen der Verfügungsberechtigung bzw. -möglichkeit. Dies geschieht durch Wegnahme, Anbringen von Siegeln oder Verfügungsverbot. Die Sicherstellung wirkt wie eine strafprozessuale Beschlagnahme nach § 94 StPO, durch die der Gewahrsam des Aufsichtsadressaten gebrochen und zugleich ein Gewahrsam der Finanzbehörde begründet wird.
Rz. 16
Bei der Wegnahme wird dem Aufsichtsadressaten der unmittelbare Besitz entzogen. Weggenommene Sachen werden von den Hauptzollämtern in Verwahrung genommen. Rechtlich entsteht ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis (zu den Folgen einer unsachgemäßen Verwahrung, vgl. Schallmoser, in HHSp, AO/FGO, § 215 AO Rz. 15. Bei der Wegnahme handelt es sich um einen Verwaltungsakt i. S. d. § 118 AO. Die Regelung liegt in der Sicherstellung der Ware, d. h. die Duldung der Entziehung des unmittelbaren Besitzes und der Besitzbegründung durch die Finanzbehörde. Handelt es sich um eine aufgefundene Sache, die ggf. herrenlos ist, wird mit der Wegnahme jedenfalls der unmittelbare Besitz der Finanzbehörde begründet. Da kein Aufsichtsadressat bekannt ist und eine öffentliche Bekanntgabe nach § 15 Abs. 2 und 3 VwZG gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, liegt in diesem Fall kein Verwaltungsakt vor.
Rz. 17
Die spätere Mitteilung der Sicherstellung nach § 215 Abs. 2 S. 2 AO enthält keine (weitere) Regelung, sondern dient der Information des Aufsichtsadressaten über die vorgenommene Maßnahme.
Rz. 18
Erfolgt die Sicherstellung durch Siegelanlegung oder Verfügungsverbot, verbleibt die Sache im Herrschaftsbereich des Aufsichtsadressaten. Die Finanzbehörde wird mittelbarer Besitzer. Die Siegelanlegung ist wie bei der Pfändung nach § 286 Abs. 2 S. 2 AO ersichtlich zu machen. Das Siegel ist fest anzubringen, also anzukleben, anzunageln, anzuheften etc. Anders als bei der Pfändung macht eine mangelnde Kenntlichmachung die Sicherstellung nicht nichtig. § 215 Abs. 1 AO schreibt die Ersichtlichkeit des Siegels nicht expressis verbis vor. Kommt eine Siegelanlegung aufgrund der Art oder Anzahl der Ware nicht in Betracht, kann ein Verfügungsverbot erlassen werden. Dem Aufsichtsadressaten sind aufgrund der Sicherstellung alle Verfügungen über die sichergestellte Ware verboten. Eine dem Verbot zuwiderlaufende Verfügung über die Ware ist der Finanzbehörde gegenüber unwirksam. Die Siegelanlegung und das Verfügungsverbot sind Verwaltungsakte i. S. d. § 118 AO, die dem Aufsichtsadressaten gegenüber bekannt zu geben sind.
Der Aufsichtsadressat hat aufgrund der Verwaltungsakte alles zu unterlassen, was die anschließende Überführung in das Eigentum des Bundes gem. § 216 AO erschwert oder unmöglich macht.
Rz. 19
Sichergestellte Waren werden strafrechtlich geschützt durch § 133 StGB Verwahrungsbruch, § 136 Abs. 1 und 2 StGB Verstrickungsbruch und Siegelbruch.
Rz. 20
Die Sicherstellung liegt im Ermessen der zuständigen Behörden; es ist insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das Ermessen besteht sowohl hinsichtlich der Frage, ob Waren sichergestellt werden sollen, als auch auf die Frage, wie die Sicherstellung durchgeführt werden soll (Wegnahme, Siegelanbringung oder Verfügungsverbot).
Rz. 21
Der Sicherstellung folgt i. d. R. die Überführung in das Eigentum des Bundes nach § 216 AO. Eine Ausnahme besteht, wenn Waren vor der Überführung in das Eigentum des Bundes im Rahmen einer Notveräußerung nach § 216 Abs. 4 AO verkauft werden müssen oder wenn die Waren wegen der in § 216 Abs. 5 AO genannten Voraussetzungen (unbillige Härte oder Sachverhalt dem Eigentümer nicht zuzurechnen) dem Betroffenen zurückzugeben sind. Die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung hängt nicht davon ab, ob die Waren gem. § 216 AO in das Eigentum des Bundes überführt werden; es handelt sich um zwei unterschiedliche Verwaltungsakte, deren Rechtmäßigkeit jeweils nur auf eine Maßnahme bezogen überprüft werden kann.
Rz. 22
Über die Beschlagnahme ist nach Abs. 2 S. 1 eine Niederschrift aufzunehmen, die aber keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Sicherstellung darstellt. Die Niederschrift dient zu Beweiszwecken. Die betroffene Person (Eigentümer, Besitzer) ist, soweit sie bekannt ist, nach Abs. 2 S. 2 über die Sicherstellung zu unterrichten. Die Unterrichtung dient lediglich der Information und ist mangels Regelung kein Verwaltungsakt.