4.1 Voraussetzungen (Abs. 1)

 

Rz. 8

Nach § 215 AO sichergestellte Sachen sind in das Eigentum des Bundes zu überführen. Der Wortlaut setzt eine Sicherstellung nach § 215 AO voraus. Neben der Sicherstellung nach § 215 AO kann auch eine Sicherstellung nach den speziellen Rechtsgrundlagen der Verbrauchsteuergesetze[1] ausreichend sein, wenn die sinngemäße Anwendbarkeit des § 216 AO geregelt ist.

 

Rz. 9

Die Überführung von sichergestellten Waren in das Eigentum des Bundes ist keine Ermessensentscheidung. Abgesehen werden darf nur, wenn die Sachen nach § 375 Abs. 2 AO ohnehin eingezogen werden.[2] Die Einziehung nach § 375 Abs. 2 AO kann angeordnet werden, wenn eine Steuerhinterziehung, ein Bannbruch nach § 372 Abs. 2 AO, § 373 AO oder eine Steuerhehlerei begangen worden ist und sich die Ware auf die strafbare Handlung bezieht. Für die Dauer eines Strafverfahrens besteht ein Überführungsausschluss.[3] Fundgut darf nach Abs. 1 S. 2 nur in das Eigentum des Bundes überführt werden, wenn daran kein Eigentumsanspruch geltend gemacht wird. Die Sicherstellung von Fundgut nach § 215 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO wird überlagert von Art. 57 ZK und § 13 ZollVG, sodass auch Abs. 1 S. 2 nicht mehr angewendet werden kann.

Eine Überführung in das Eigentum des Bundes hat nach Abs. 5 zu unterbleiben, wenn die Sachen aus Rechts- oder Billigkeitsgründen zurückzugeben sind.[4]

[1] Bsp. s. Rz. 7.
[3] Teichner, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 216 Rz. 7.

4.2 Verfahren (Abs. 2)

 

Rz. 10

Die Überführung in das Eigentum des Bundes geschieht durch Verwaltungsakt. Dieser ist den betroffenen Personen zur Wahrnehmung ihrer Rechte mitzuteilen. Die Mitteilung ist die Bekanntgabe des Verwaltungsakts nach § 122 AO. Betroffener ist derjenige, der von der Sicherstellung, als eine Maßnahme der Steueraufsicht, betroffen wird. Ist eine betroffene Person unbekannt, so kann die Überführung nur durch öffentliche Bekanntmachung entsprechend § 15 Abs. 2 und 3 VwZG mitgeteilt werden. § 216 Abs. 2 AO ist eine Rechtsvorschrift i. S. d. § 122 Abs. 3 AO. § 216 Abs. 2 S. 2 AO wurde durch Art. 2 Abs. 13 Nr. 2 des Gesetzes v. 12.8.2005 (BGBl I 2005, 2354) mit Wirkung v. 1.2.2006 neu gefasst.

4.3 Wirksamkeit und Rechtsfolgen (Abs. 3)

 

Rz. 11

Der Eigentumsübergang wird entgegen § 124 Abs. 1 S. 1 AO nicht mit der Bekanntgabe, sondern erst mit der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts, der die Überführung der sichergestellten Sache in das Eigentum des Bundes anordnet, wirksam. Ein Rechtsbehelfsverfahren schiebt den Eigentumsübergang hinaus.

Sind die sichergestellten Sachen mit dem Grund und Boden fest verbunden[1], so dürfen sie erst nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts voneinander getrennt werden.[2] Mit der Trennung geht das Eigentum auf den Bund über.

 

Rz. 12

Rechte Dritter (z. B. Pfandrechte, Besitzrechte) an den sichergestellten Sachen bleiben grundsätzlich bestehen. Das Erlöschen der Rechte kann angeordnet werden, wenn der Dritte leichtfertig zur Sicherstellung beigetragen hat oder bei Erwerb seines Rechtes Kenntnis von den Umständen hatte. In diesen Fällen ist ein Schutzbedürfnis dritter Personen nicht vorhanden. Die Erlöschensanordnung ist ein Verwaltungsakt, der dem Dritten bekanntzugeben ist. Leichtfertigkeit ist – wie bei der leichtfertigen Steuerverkürzung § 378 AO – grobe Fahrlässigkeit. Kenntnis bedeutet positive Kenntnis.[3]

[1] Wesentliche Bestandteile i. S. d. § 93 BGB.
[2] Brandis, in Tipke/Kruse, AO,/FGO § 216 AO Rz. 2.
[3] A. A. Teichner, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 216 Rz. 10: auch grobfahrlässige Unkenntnis.

4.4 Notveräußerung (Abs. 4)

 

Rz. 13

Nach § 216 Abs. 4 S. 1 AO können sichergestellte Sachen schon vor der Überführung in das Eigentum des Bundes nach den Vorschriften über die Verwertung gepfändeter Sachen[1] veräußert werden. Voraussetzung ist ein dringendes Bedürfnis an einer schnellen Verwertung. § 216 Abs. 4 S. 1 AO regelt in Anlehnung an § 111 Abs. 1 StPO als Voraussetzung für die Veräußerung, dass der Verderb oder eine wesentliche Wertminderung der Sache droht oder ihre Aufbewahrung, Pflege oder Erhaltung mit unverhältnismäßigen Kosten oder Schwierigkeiten verbunden ist; wesentliche Bestandteile von Grund und Boden dürfen zu diesem Zweck – vor Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts, der die Überführung in das Eigentum des Bundes anordnet – von diesem getrennt werden.

 

Rz. 14

Die Anordnung der Notveräußerung ist ein Verwaltungsakt.[2] Die Veräußerungsanordnung ist den Betroffenen bekanntzugeben.[3] Zeit und Ort der Veräußerung sind dem Betroffenen nur mitzuteilen, wenn es tunlich ist.[4] Die fehlende Mitteilung über Ort und Zeit macht die Veräußerungsanordnung nicht rechtswidrig, sofern Eile geboten war oder nicht davon ausgegangen werden konnte, dass der Betroffene die Sachen selbst erwerben will. Die betroffenen Personen sollen vor der Veräußerungsanordnung gehört werden.[5] "Sollen" bedeutet nicht müssen; für Maßnahmen in der Vollstreckung kann nach § 91 Abs. 2 Nr. 5 AO von einer Anhörung des Betroffenen abgesehen werden. Die Veräußerungsanordnung ist sinngemäß eine Maßnahme in der Vollstreckung.[6] Die fehlende ...

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