3.1 Ermessen
Rz. 19
§ 219 S. 1 AO sieht Einschränkungen lediglich für die Zahlungsinanspruchnahme der Haftungsschuldner vor. Das Entschließungsermessen und u. U. – z. B. bei mehreren Haftungsschuldnern – das Auswahlermessen hat die Finanzbehörde jedoch bereits vor der Erteilung des Leistungsgebots bei der Haftungsinanspruchnahme durch Haftungsbescheid auszuüben. Diese Haftungsinanspruchnahme ist abweichend vom Geltendmachen einer Steuerschuld nicht zwingend.
Rz. 20
Hat sich das FA in Ausübung des Entschließungsermessens (Handlungsermessens) und ggf. des Auswahlermessens für den Erlass eines Haftungsbescheids entschlossen, hat es unter Heranziehung des § 219 AO über die Zahlungsinanspruchnahme zu entscheiden. Erlaubt bereits S. 1 diese, so darf – muss jedoch nicht – der Haftungsschuldner auch eine Zahlungsaufforderung (Leistungsgebot) erhalten. Hierbei ist auch zu entscheiden, ob eine Beitreibung in das unbewegliche Vermögen des Steuerschuldners zuvor versucht werden muss. Auch in den Fällen des S. 2 muss der Haftungsbescheid nicht mit einem Leistungsgebot versehen werden. Es kann erteilt werden, steht also im Ermessen des FA. Zu beachten sind dabei z. B. die persönlichen Verhältnisse des Haftenden einschließlich von Umständen, die eine Unbilligkeit annehmen lassen.
3.2 Weitere Verfahrensfragen
Rz. 21
Die Zahlungsinanspruchnahme geschieht durch eine Zahlungsaufforderung. Diese ist identisch mit dem Leistungsgebot gem. § 254 AO. Zahlungsaufforderung und Leistungsgebot stehen also nicht als zwei selbstständige Verwaltungsakte nebeneinander. Das Leistungsgebot kann, wenn § 219 S. 1 AO nicht entgegensteht, mit dem Haftungsbescheid verbunden werden. Es wird damit nicht zum inhaltlichen Bestandteil des Haftungsbescheids. Haftungsbescheid und Leistungsgebot stehen nicht im Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid, sodass die Rechtmäßigkeit des Leistungsgebots von derjenigen des Bescheids grundsätzlich unabhängig ist. Das bedeutet auch, dass Einwendungen gegen den Inhalt des Haftungsbescheids nicht gegen das Leistungsgebot erhoben werden können.
Rz. 22
Beim Erlass des Leistungsgebots betreffend eine Haftungsschuld muss § 219 AO stets beachtet werden. Dies muss in einer Begründung niedergelegt werden. Ist das Leistungsgebot mit dem Haftungsbescheid in einer Urkunde verbunden, so soll nach BFH v. 16.3.1995, VII S 39/92, BFH/NV 1995, 950 im Fall der teilweisen Aufhebung des Haftungsbescheids die Annahme naheliegen, dass auch das Leistungsgebot in entsprechender Höhe aufgehoben worden sei. Schriftform ist für die Zahlungsaufforderung nicht gesetzlich vorgesehen, doch muss das Leistungsgebot als eigenständiger Verwaltungsakt den allgemeinen formalen Anforderungen an Verwaltungsakte gerecht werden. Zuständig ist das FA, in dessen Bezirk der Anlass für den Erlass des Leistungsgebots und des Haftungsbescheids aufgetreten ist.
Rz. 23
Die Korrektur einer Zahlungsaufforderung geschieht nach §§ 129–131 AO, da es sich bei einer solchen zwar um einen Verwaltungsakt, aber nicht um einen Steuerbescheid handelt. Zahlt der Steuerschuldner nach dem Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung, hat dies keine Auswirkungen auf das Bestehen der Haftungsschuld. Diese ist also nicht aufzuheben. Der Haftungsschuldner hat stattdessen vielmehr einen Antrag nach § 218 Abs. 2 AO auf Erlass eines Abrechnungsbescheids zu stellen.
3.3 Rechtsbehelfe
Rz. 24
Gegen den Haftungsbescheid und das Leistungsgebot als selbstständige Verwaltungsakte ist jeweils getrennt gem. § 347 Abs. 1 Nr. 1 AO der Einspruch gegeben. Dies gilt auch in den Fällen der Zusammenfassung beider Verwaltungsakte in einer Urkunde. Für den Lauf der Rechtsbehelfsfrist bedarf es für jeden der beiden Verwaltungsakte einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung. Ohne eine solche z. B. für das Leistungsgebot beginnt die Einspruchsfrist mit der Bekanntgabe des Leistungsgebots nicht zu laufen, endet allerdings gem. § 356 Abs. 2 S. 1 AO mit Ablauf eines Jahres ab der Bekanntgabe. Zur den Folgen bei einer Teilrücknahme vgl. Alber, in HHSp, AO/FGO, § 219 AO Rz. 93.
Rz. 25
Im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Zahlungsaufforderung können nach § 256 AO nur Einwendungen geltend gemacht werden, die sich gegen die Zulässigkeit de...