Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
2.1 Zu tilgende Steuern
Rz. 3
Die Hingabe an Zahlungs statt von Kunstwerken usw. kann zur Tilgung von ErbSt und VSt geschehen. Da die VSt aufgrund von BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BGBl I 1995, 1091 ab 1997 nicht mehr erhoben werden darf, ist zur Zeit eine VSt gesetzlich nicht mehr geregelt. Dadurch hat sich die Wirkung des § 224a auf die ErbSt und auf etwa noch zu leistende VSt für Zeiträume bis 1996 reduziert. Nach dem Wortlaut des § 224a muss es sich um ErbSt und VSt gerade des Stpfl. handeln; die Tilgung einer fremden Schuld durch Hingabe an Zahlungs statt ist in § 224a nicht vorgesehen. Da jedoch die Steuerschuld grundsätzlich auch durch einen Dritten getilgt werden kann (§ 48), wird ein Dritter die fremde Steuerschuld auch durch Hingabe an Erfüllungs statt tilgen können (ebenso Kruse, in T/K, AO, § 234a Rz. 6).
Ist der Stpfl. Mitunternehmer einer Personengesellschaft, können die Kunstgegenstände auch der Personengesellschaft gehören. Eine Kapitalgesellschaft kann die eigene VSt durch Hingabe an Zahlungs statt tilgen, im Rahmen einer Erfüllung durch einen Dritten aber auch die ErbSt und VSt eines Gesellschafters. Stpfl., Schuldner der Steuer und Eigentümer der zu übertragenden Gegenstände müssen daher, abweichend vom Wortlaut der Vorschrift, nicht dieselbe Person sein.
Rz. 4
Die Tilgung durch Hingabe an Zahlungs statt ist auf die ErbSt und VSt beschränkt. Die zur Tilgung hingegebenen Gegenstände müssen immer an den Steuergläubiger übertragen werden; damit sollen Verschiebungen im Steueraufkommen verhindert werden. Aus diesem Grund verbot es sich auch, die Tilgung von Gemeinschaftsteuern (ESt, KSt, USt) durch Hingabe an Zahlungs statt zuzulassen.
Rz. 5
Es ist nicht erforderlich, dass die durch Hingabe an Zahlungs statt getilgte Steuer gerade auf den hingegebenen Gegenständen beruht. ErbSt und VSt können also auch dann auf diese Weise getilgt werden, wenn die Steuer auf anderen Gegenständen (z. B. Betriebs-, Grund- und Kapitalvermögen) beruht oder die hingegebenen Gegenstände sogar von der jeweiligen Steuer befreit sind.
2.2 Zur Tilgung hingegebene Gegenstände
Rz. 6
An Zahlungs statt hingegeben werden können Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken, Handschriften und Archive.
Der Begriff der "Kunst" ist der gleiche wie in § 52 Abs. 2 Nr. 1; vgl. § 52 Rz. 26. Kunst ist daher die Gestaltung eines Mediums in einer über den normalen Gebrauch dieses Mediums hinausgehenden Weise. Auch für den Begriff der Wissenschaft kann auf § 52 Abs. 2 Nr. 1 zurückgegriffen werden; Wissenschaft umfasst daher alle Gebiete der Geistes- und Naturwissenschaft; vgl. § 52 Rz. 22. Möglich ist die Übereignung von Einzelgegenständen oder von Sammlungen; eine Sammlung ist eine sinnvoll aufeinander bezogene Mehrzahl von Einzelgegenständen, die unter einem gemeinsamen Prinzip (z. B. Herkunft, Stilrichtung, Art oder Nutzung des Gegenstandes) zusammengestellt worden sind und in ihrer Gesamtheit eine über die Aussage der Einzelgegenstände hinausgehende Aussage ermöglichen.
Bibliotheken sind Sammlungen von Büchern. Archive sind Sammlungen von Einzelinformationen (i. d. R. schriftliche, aber auch elektronische Informationen) über bestimmte Gegenstände (Themen), die darauf gerichtet sind, über den Gegenstand möglichst umfassende Informationen zu liefern. Handschriften sind in Handarbeit hergestellte Schriftstücke wissenschaftlichen, künstlerischen oder sonstigen Inhalts. Auch technische Zeichnungen, Landkarten usw. können Handschriften sein.
Rz. 7
Die Übertragung an Zahlungs statt ist nur zulässig, wenn an dem Erwerb der in Rz. 6 beschriebenen Gegenstände ein öffentliches Interesse besteht, weil diese Gegenstände für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft Bedeutung haben. Öffentliches Interesse liegt vor, wenn der Erwerb der Gegenstände auch außerhalb des § 224a ein zulässiger Verwendungszweck für öffentliche Mittel wäre. Das Interesse muss an dem Erwerb der Gegenstände bestehen, nicht an der Bezahlung der Steuerschuld.
Dieses öffentliche Interesse muss wegen der Bedeutung der Gegenstände für Kunst, Geschichte und Wissenschaft bestehen. Die Gegenstände müssen also im Rahmen von Kunst, Geschichte und Wissenschaft eine gewisse herausragende Bedeutung haben; sie brauchen nicht einmalig, sie dürfen aber auch nicht ohne Schwierigkeit reproduzierbar sein. Diese Bedeutung kann sich ergeben aus dem absoluten Wert (der Seltenheit bzw. Einmaligkeit) des einzelnen Gegenstands, aber auch aus der (seltenen oder einmaligen) Zusammenfassung vieler an sich nicht seltener Gegenstände. Neben Kunstgegenständen und Kunstsammlungen fallen daher auch geschichtliche Sammlungen (Sammlung von Gegenständen bestimmter Epochen) und wissenschaftliche Sammlungen, einschließlich Sammlungen zur Geschichte der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Arbeitswelt und des täglichen Lebens, unter § 224a.
Der Begriff des öffentlichen Interesses wegen der Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft ist an sich ein Rechtsbegriff, doch steht hier der entscheidenden Behörde ein weiter Beurteilungsspielraum offen. Nur ...