Rz. 1
Die Vorschrift ist durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 25.7.2014 eingefügt worden und zum 31.7.2014 in Kraft getreten. Sie ergänzt die in den §§ 18–22 AO und den Einzelsteuergesetzen getroffenen Regelungen über die örtliche Zuständigkeit der Landesfinanzbehörden für den Bereich des der Bundesrepublik Deutschland zustehenden Anteils an dem Festlandsockel und an der ausschließlichen Wirtschaftszone.
Dieses Gebiet ist wegen der Ausbeutung der auf oder unter dem Meeresgrund vorhandenen Rohstoffvorkommen, vor allem aber wegen des im Zuge der sog. Energiewende zu erwartenden Ausbaus der Energieerzeugung durch sog. Offshore-Windkraftanlagen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Es gehört staats- und völkerrechtlich zwar nicht zum Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, wird in den Einzelsteuergesetzen aber z. T. dem Inland zugerechnet. Im Fall der ErbSt bestimmt § 2 Abs. 3 AO bereits seit dem Inkrafttreten des Gesetzes v. 17.4.1974, dass zum Inland i. S. dieses Gesetzes auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil am Festlandsockel gehört, soweit dort Naturschätze des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes erforscht oder ausgebeutet werden. Größere praktische Bedeutung hat die durch das JStG 2008 erfolgte Ausdehnung des Inlandsbegriffs des EStG, des KStG und des GewStG auf den der Bundesrepublik Deutschland zustehenden Anteil am Festlandsockel, soweit dort Naturschätze des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes erforscht oder ausgebeutet werden oder dieser der Energieerzeugung unter Nutzung erneuerbarer Energien dient. Durch das Gesetz v. 25.7.2014 wurde die ertragsteuerliche Ausdehnung des Inlandsbegriffs neu gefasst und die Energieerzeugung unter Nutzung erneuerbarer Energien statt auf den Festlandsockel auf den der Bundesrepublik Deutschland zustehenden Anteil an der ausschließlichen Wirtschaftszone bezogen. Die sprachliche Änderung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Windkraftanlagen i. d. R. zwar auf dem Meeresgrund verankert sind, die eigentliche Energiegewinnung aber nicht dort, sondern oberhalb der Wasseroberfläche stattfindet.
Rz. 2
§ 22a AO vollzieht die Ausdehnung des Inlandsbegriffs für das Verfahrensrecht nach und soll auf diese Weise Rechtssicherheit schaffen. Zwar hatten die Küstenländer schon in der Vergangenheit aufgrund von § 17 Abs. 1 FVG Regelungen getroffen, durch die der deutsche Anteil am Festlandsockel dem Bezirk bestimmter Landesfinanzbehörden zugewiesen wurde. Da dieses Gebiet wegen seiner Nichtzugehörigkeit zum deutschen Staatsgebiet nicht bestimmten Bundesländern zugeordnet werden kann, war die Rechtsgültigkeit der entsprechenden Anordnungen aber fraglich.
§ 22a AO nimmt keine eigenständige Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit vor, sondern trifft eine Regelung darüber, wie die Zuständigkeit der Finanzbehörden der einzelnen Länder in den Fällen abzugrenzen ist, in denen die nach den §§ 18–22 AO bzw. den Vorschriften der Einzelsteuergesetze zuständigkeitsbegründenden Sachverhalte im Bereich des der Bundesrepublik Deutschland zustehenden Anteils am Festlandsockel und an der ausschließlichen Wirtschaftszone verwirklicht sind. Praktische Bedeutung dürfte dies vor allem für die Merkmale der Betriebsstätte, des Vermögens, der Tätigkeitsausübung und – mit Einschränkungen – des Betreibens des Unternehmens haben. Für die Zuständigkeitsanknüpfung nach den Merkmalen der Geschäftsleitung oder des Sitzes dürfte die Vorschrift keine Bedeutung haben. Demgegenüber sind Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt auf Bohrinseln denkbar.
Während die ertragsteuerlichen Vorschriften den der Bundesrepublik Deutschland zustehenden Anteil am Festlandsockel und an der ausschließlichen Wirtschaftszone nur insoweit in den Begriff des Inlands einbeziehen, als er den dort bezeichneten Zwecken dient, sieht § 22a AO keine entsprechende Einschränkung vor.