2.2.5.1 Vollstreckungsverbot nach § 210 InsO
Rz. 52
Die Hemmung der Zahlungsverjährung nach § 210 InsO wurde durch das JStG 2020 eingeführt.
Wenn in Insolvenzverfahren Masseunzulänglichkeit nach § 208 InsO angezeigt wird, dürfen die bis zu diesem Zeitpunkt begründeten Altmasseverbindlichkeiten nicht mehr vollstreckt werden. Dieses Vollstreckungsverbot besteht im Normalfall jeweils bis zur Beendigung bzw. Aufhebung des Insolvenzverfahrens fort. Anschließend können die Ansprüche gegen den Stpfl., soweit es sich um Masseverbindlichkeiten handelt, wieder geltend gemacht werden, ohne von der Restschuldbefreiung erfasst zu werden. Alternativ entfällt das Vollstreckungsverbot nach §§ 210, 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO dann, wenn nach Überwinden der Masseunzulänglichkeit zur Regelabwicklung zurückgekehrt wird, da die für die Verteilung der unzulänglichen Masse geltenden Rechtsregeln dann nicht mehr greifen und die gleichmäßige Erfüllung aller Masseforderungen erwartet werden darf.
Rz. 53
Da weder die Anzeige der Masseunzulänglichkeit, noch die Aufnahme der Altverbindlichkeiten in eine vom Insolvenzverwalter zu führende Liste bisher eine Unterbrechung der Verjährung bewirkte, war es für die Finanzbehörden erforderlich, verjährungsunterbrechende Maßnahmen zu ergreifen, auch wenn diese angesichts des geltenden Vollstreckungsverbots nicht nur materiell überflüssig, sondern für die Insolvenzschuldner wie -verwalter auch irritierend waren. Durch Einführung der gesetzlichen Hemmung der Zahlungsverjährung bis zum Wegfall des Vollstreckungsverbots nach § 210 InsO in § 231 Abs. 1 Nr. 5 AO wollte der Gesetzgeber dieser zuvor notwendigen aber verunsichernden Zusatzbelastung für die Finanzverwaltung wie für das Insolvenzverfahren entgegenwirken und sicherstellen, dass derartige Ansprüche nach Wegfall des Vollstreckungsverbots ressourcenschonend durch das FA weiterverfolgt werden können.
2.2.5.2 Vollstreckungsverbot nach § 294 Abs. 1 InsO
Rz. 54
§ 231 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 AO regelt auch die Unterbrechung der Frist für die Zahlungsverjährung bei einem Verfahren zur Restschuldbefreiung. Die Vorschrift ist in dieser Form durch das Gesetz v. 23.6.2017 für alle am 24.6.2017 noch nicht abgelaufenen Verjährungsfristen eingeführt worden. Sie ersetzt damit die vorherige Formulierung, wonach eine Unterbrechung der Verjährung bei Einbeziehung der Forderung in ein Verfahren zur Restschuldbefreiung eintrat. Eine sachliche Änderung ist mit der Neuformulierung nicht verbunden (Rz. 3).
Rz. 55
Das Verfahren zur Restschuldbefreiung, beginnt unmittelbar nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und läuft bis zum Ende der Abtretung der laufenden Bezüge an den Treuhänder nach § 287 Abs. 2 InsO. Diese Abtretungsfrist beträgt drei Jahre oder wenn es sich um ein erneutes Verfahren nach zuvor schon einmal erteilter Restschuldbefreiung handelt und der seinerzeitige Antrag nach dem 30.9.2020 gestellt worden war, fünf Jahre ("Wohlverhaltensphase"). Dem Zweck der Vorschrift nach gilt die Regelung auch darüber hinaus bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung. Während dieses Zeitraums schließt § 294 Abs. 1 InsO Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für Forderungen, die in dem Insolvenzverfahren Insolvenzforderungen waren, aus. Das gilt für alle Insolvenzgläubiger, also auch für Steuerforderungen des Fiskus. Da somit während dieses Zeitraums eine Beitreibung der Steuerforderungen nicht möglich ist, könnte die Steuerforderung während der Wohlverhaltensphase verjähren. Das schließt § 231 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 2. Alt. AO aus. Wenn das Verfahren der Restschuldbefreiung in Gang gesetzt wird und damit das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO eingreift, tritt eine Unterbrechung der Zahlungsverjährungsfrist ein, sodass die Steuerforderungen nicht verjähren können.
Rz. 56
Das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO und damit die Unterbrechung der Verjährungsfrist gelten nur für Insolvenzforderungen in dem abgeschlossenen Insolvenzverfahren. Sie gelten nicht für Masseforderungen und auch nicht für Neuforderungen gegen den Schuldner.