Rz. 4
Der Fall, dass mehrere Finanzbehörden zuständig sind, liegt nur vor, wenn die verschiedenen nach dem Gesetz bestehenden Zuständigkeiten gleichrangig sind. Keine Mehrfachzuständigkeit ist gegeben, wenn sich aus den gesetzlichen Regelungen eine Rangfolge ergibt, die die Bestimmung der vorrangig zuständigen Finanzbehörde erlaubt. Dies gilt selbst dann, wenn die sich daraus folgende Zuständigkeitsreihenfolge aus tatsächlichen Gründen nicht zu ermitteln ist. In diesem Fall richtet sich die Zuständigkeit nach § 24 AO.
Die Mehrfachzuständigkeit muss für dieselbe Sache bestehen. Unter Sache i. d. S. ist dabei die auf einen konkreten Sachverhalt bezogene und durch einen bestimmten Verwaltungsakt abzuschließende Verwaltungstätigkeit zu verstehen. Diese Voraussetzung soll auch bei Sammelbescheiden zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für mehrere Jahre erfüllt sein, wenn die Einkünfte aus derselben Quelle stammen. Liegen verschiedene Sachen vor, die durch unterschiedliche Verwaltungsakte abzuschließen sind – wie die ESt-Festsetzung einerseits und die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags andererseits – können auch unterschiedliche Zuständigkeiten bestehen, sodass § 25 AO nicht zur Anwendung kommt.
Rz. 5
Besondere Bedeutung hat § 25 AO für den Fall, dass sich bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten bzw. Lebenspartnern unterschiedliche Zuständigkeiten ergeben. Bei intakter Ehe bzw. Lebenspartnerschaft kann sich diese Situation in den Fällen des § 19 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 AO ergeben, wenn beide Ehegatten bzw. Lebenspartner Gewinneinkünfte aus verschiedenen Finanzamtsbezirken ihrer Wohnsitzgemeinde beziehen. Das Gleiche gilt in Trennungsfällen, wenn einer der Ehegatten bzw. Lebenspartner in einen anderen Finanzamtsbezirk verzieht, die Ehegatten bzw. Lebenspartner für das Trennungsjahr aber noch die Zusammenveranlagung wählen. Die Regelung des § 19 Abs. 1 S. 2, Hs. 2 AO, die auf den Familienwohnsitz abstellt, ist nach der Trennung nicht mehr anwendbar. Zwar liegt in diesen Fällen keine Mehrfachzuständigkeit im eigentlichen Sinne vor, weil für jeden einzelnen der Stpfl. nur ein FA zuständig ist. Um der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen zu begegnen, ist § 25 AO auf diese Fälle aber entsprechend anwendbar.
Eine Mehrfachzuständigkeit kann sich auch bei einem Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld nach §§ 268ff. AO ergeben.
Von praktischer Bedeutung ist die Frage der Mehrfachzuständigkeit ferner in Fällen der Gesamtrechtsnachfolge, wenn mehrere Gesamtrechtsnachfolger vorhanden sind, die in verschiedenen FA-Bezirken wohnen, sowie in Fällen der Aufspaltung, wenn die aus der Aufspaltung hervorgegangenen Gesellschaften in den Bezirken unterschiedlicher FÄ ihre Geschäftsleitung haben oder ihre Tätigkeit ausüben.