Rz. 168
Nach §§ 286ff. InsO kann eine natürliche Person beantragen, von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten befreit zu werden. Dieses Restschuldbefreiungsverfahren wurde durch die InsO neu in das deutsche Insolvenzrecht eingeführt. Aus verschiedenen Gründen erfolgte eine teilweise Neuregelung durch das InsO-Änderungsgesetz 2001. Insbesondere ist auch für dieses Verfahren jetzt eine Stundung der Verfahrenskosten möglich. Eine weitere Änderung erfolgte durch das Gesetz zur Verkürzung der Restschuldbefreiung v. 22.12.2020.
Rz. 168a
Wichtigste Voraussetzung ist neben dem Antrag, der spätestens im Berichtstermin zu stellen ist, eine sog. Wohlverhaltensperiode des Schuldners. Diese betrug bis 30.6.2014 6 Jahre. Durch das Gesetz zur Verkürzung der Restschuldbefreiungsfristen v. 18.7.2013 wurde diese Frist mit Wirkung ab dem 1.7.2014 auf drei Jahre verkürzt, wenn der Schuldner während dieser Zeit einen gewissen Teil der Forderungen und die Verfahrenskosten bezahlt. Kam er seiner Verpflichtung zur Zahlung von 35 % der Forderungen nach Tilgung der Verfahrenskosten nicht nach, betrug die Frist 5 Jahre. Durch das Gesetz vom 22.12.2020 wurde diese Regelung insofern geändert, als die Frist stets drei Jahre beträgt, unabhängig von einer Tilgungsquote. Der ehemalige Ausnahmefall ist damit nunmehr der Normalfall geworden. Im Gegenzug bestehen neue Obliegenheitsverpflichtungen des Schuldners während der Wohlverhaltensphase und die Fristen für ein mögliches Zweitverfahren wurden verlängert. Während der Zeit von drei Jahren hat der Schuldner seine Arbeitskraft zu nutzen und den pfändbaren Teil seines Einkommens an einen Treuhänder abzutreten. Das FA darf in dieser Restschuldbefreiungsphase gegen Steuererstattungsansprüche des Insolvenzschuldners mit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Ansprüchen aufrechnen, da hier keine Aufrechnungsverbote während der Wohlverhaltensphase bestehen. Die Insolvenzgläubiger und der Insolvenzverwalter sind im Schlusstermin zu dem Antrag zu hören.
Rz. 169
§ 290 InsO normiert verschiedene Gründe, wann die Restschuldbefreiung zu versagen ist. Unter steuerlichen Gesichtspunkten ist hierbei vor allem § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu nennen, der als Versagungsgrund eingreift, wenn der Schuldner in den letzten 3 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden. Die Steuerbehörden fassen unter diesen Tatbestand auch die Abgabe einer falschen oder unvollständigen Steuererklärung sowie unrichtige Anträge auf Stundung, Erlass oder Vollstreckungsaufschub sowie in Vermögensverzeichnissen. Das FA wird ausdrücklich verpflichtet zu prüfen, ob ein Versagensgrund nach § 290 InsO vorliegt, und ggf. einen solchen Antrag bei Gericht zu stellen. Dieser Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung ist kein Verwaltungsakt, sondern schlichtes Verwaltungshandeln. Dabei hat das FA den Versagensgrund glaubhaft zu machen. Nicht als Versagensgrund anzusehen ist es indes, wenn der Schuldner in den letzten 3 Jahren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens überhaupt keine Steuererklärungen abgegeben hat, da die Nichtabgabe einer schriftlichen Erklärung nicht von § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfasst ist.
Rz. 170
Gemäß § 300 InsO erfolgt die Restschuldbefreiung nach Ablauf der Laufzeit der Abtretungserklärung durch das Insolvenzgericht. Steueransprüche, die sich gegen den Schuldner richten, fallen dabei wie alle Ansprüche mit Ausnahme der in § 302 InsO genannten Ansprüche aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen und Geldstrafen unter die Restschuldbefreiung. Steuerhinterziehung ist allerdings keine die Restschuldbefreiung ausschließende vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung nach § 302 Nr. 1 InsO. Auch für Hinterziehungszinsen gilt § 302 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht, sodass diese nicht von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen sind. Die Steuerforderungen erlöschen mit der Restschuldbefreiung. Die Finanzbehörden können die Steuerforderungen nicht mehr gegen den Schuldner geltend machen. Als insolvenzrechtliche Spezialregelung geht § 301 InsO auch der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 227 AO vor. Ein Erlass der Steuerforderung kommt deshalb nicht mehr in Betracht. Die Restschuldbefreiung hindert allerdings nach § 301 Abs. 2 S. 1 InsO nicht die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Gesamtschuldner und Bürgen, da sich die Wirkung der Restschuldbefreiung nicht auf dritte Personen erstreckt.
Rz. 170a
Werden im Rahmen einer Restschuldbefreiung betriebliche Forderungen erlassen, kann dies zu einem steuerpflichtigen Gewinn führen. Voraussetzung ist allerdings, dass der Schuldner das Unternehmen nach dem Insolvenzverfahren weitergeführt hat. Allerdings kommt u. U. ein Erlass nach dem Erlass nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen in Betracht.
Rz. 170b
Eine...