1 Grundlagen
Rz. 1
§ 252 AO, der zu Zeiten der Geltung der RAO keine direkte Entsprechung hatte, bestimmt, welche Körperschaft als Vollstreckungsgläubigerin im Vollstreckungsverfahren nach der AO zu sehen ist. Eine entsprechende Regelung gibt es für das zivilprozessuale Vollstreckungsverfahren nicht, ist aber auch nicht erforderlich, da sich der Sinn der Bestimmung allein aus den Besonderheiten des Vollstreckungsverfahrens nach der AO erklärt. Für das Erhebungsverfahren trifft § 226 Abs. 4 AO allerdings eine Regelung, die ähnlich ausgestaltet ist. Begründet wurde die Schaffung des § 252 AO im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens damit, dass hierdurch das Vollstreckungsverfahren in den Fällen erleichtert werden solle, in denen der Steueranspruch mehreren Körperschaften zusteht. Die Zugehörigkeit einer Vollstreckungsbehörde zu einer Körperschaft richtet sich dabei nach dem FVG.
2 Begriff des Vollstreckungsgläubigers
Rz. 2
§ 252 AO fingiert nach seinem Wortlaut als Vollstreckungsgläubigerin stets die Körperschaft, der die Vollstreckungsbehörde angehört. Dies bedeutet, dass für Zwecke der Vollstreckung die Körperschaft Vollstreckungsgläubigerin ist, der auch die Vollstreckungsbehörde angehört. Die Fiktion des § 252 AO gilt damit explizit ausschließlich für das Vollstreckungsrecht und hat keine Auswirkungen auf die materiell-rechtliche Gläubigerstellung. Die Beschränkung auf das Vollstreckungsrecht zeigt sich insbesondere hinsichtlich etwaiger Pfandrechte. Diese stehen materiell-rechtlich der Körperschaft zu, deren Anspruch vollstreckt wird.
Rz. 3
Die Begründung der fiktiven Gläubigerstellung gilt dabei insbesondere auch für eine Finanzbehörde, die nach § 250 Abs. 1 S. 1 AO im Einzelfall um die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen ersucht wurde. In diesen Fällen bleibt zwar die Körperschaft, der die ersuchende Behörde angehört, materiell-rechtlich Gläubigerin des Anspruchs; die ersuchte Behörde gilt gleichwohl als Vollstreckungsgläubigerin.
3 Folgen der Fiktion des § 252 AO
Rz. 4
Die Gläubigerfiktion des § 252 AO hat Bedeutung für die Vollstreckung verschiedener Steuern, deren Durchsetzbarkeit sie dadurch erleichtert, dass im Vollstreckungsverfahren nicht genau beachtet werden muss, welcher Körperschaft der Steueranspruch zusteht. Der von seinem Aufkommen her bedeutsamste Fall betrifft dabei die Steuern, die anteilig dem Bund und den Ländern zustehen. Dies sind nach Art. 106 Abs. 3 GG insbesondere die KSt, ESt oder USt. Ferner hat § 252 AO Bedeutung für Steuern, die nach dem GG reine Bundessteuern sind, deren Verwaltung aber durch die Finanzverwaltungen der Länder erfolgt. Beispiele sind etwa die VersSt oder der SolZ, der eine Ergänzungsabgabe i. S. v. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG darstellt.
Rz. 5
Schließlich erleichtert die Definition des § 252 AO aber auch die Vollstreckung wegen Steueransprüchen aus Landessteuern, die durch die Hauptzollämter, also Bundesbehörden, vollstreckt werden. Beispielhaft sei hier die BierSt genannt, deren Ertrag nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 5 GG den Ländern zusteht, aber nach Art. 108 Abs. 1 GG durch die Bundesfinanzbehörden verwaltet wird. Anwendung findet § 252 AO auch auf die KiSt und andere Ansprüche, die aufgrund besonderer gesetzlicher Regelungen nach der AO vollstreckt werden. Soweit die Vollstreckung nach dem EU-BeitrG erfolgt, richtet sich die Zuständigkeit nach § 4 EU-BeitrG.
Rz. 6
Bedeutung hat § 252 AO zudem auch für die Passivlegitimation in Streitigkeiten, die aus dem Vollstreckungsverfahren erwachsen. Insbesondere sind deshalb Drittwiderspruchsklagen nach § 262 AO und die Klage auf vorzugsweise Befriedigung nach § 293 AO gegen die Körperschaft geltend zu machen, die nach § 252 AO als Vollstreckungsgläubigerin gilt.