Rz. 6
Zweite Voraussetzung für den Beginn der Vollstreckung ist, dass der Vollstreckungsschuldner zur Leistung, Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist. Der Gesetzgeber bezeichnet diese Aufforderung als Leistungsgebot. Bei dem Leistungsgebot handelt es sich um einen Verwaltungsakt, dessen Inhalt sich allein darin erschöpft, die Leistung zu fordern. Das Leistungsgebot selbst ist noch keine Maßnahme der Vollstreckung, sondern geht dieser voraus. Es ist allerdings zwingende Voraussetzung für den Beginn der Vollstreckung.
Rz. 7
Damit ist das Leistungsgebot zu trennen vom Verwaltungsakt, dessen Leistung eingefordert wird. Es können aber beide Verwaltungsakte miteinander verbunden werden, wie dies § 254 Abs. 1 S. 2 AO ausdrücklich klarstellt. Da das Leistungsgebot ein eigenständiger Verwaltungsakt ist, kann es auch eigenständig mit einem Einspruch angefochten werden.
2.2.1 Grundsatz
Rz. 8
Grundsätzlich bedarf es eines Leistungsgebots, da der Vollstreckungsschuldner von den Maßnahmen der Vollstreckung nicht überrascht werden soll. Nach der Entscheidung des BFH v. 29.9.1976 müssen dabei die folgenden Angaben in einem Leistungsgebot vorhanden sein, damit das Leistungsgebot dem Schutzcharakter gerecht werden kann:
- Der Vollstreckungsschuldner muss unter Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung nach der AO aufgefordert werden,
- einen dem Grund und der Höhe nach genau bezeichneten Geldbetrag,
- bis zu einem bestimmten Zeitpunkt,
- bei bestimmt bezeichneter Stelle,
- in näher bezeichneter Weise zu leisten.
Rz. 8a
Diese Anforderungen des BFH werden teilweise von der Lit. als zu eng angesehen. Unstrittig ist aber, dass der Vollstreckungsschuldner ausdrücklich bezeichnet sein muss, die Leistung, Duldung oder Unterlassung genau zu bezeichnen ist, und dem Vollstreckungsschuldner die Aufforderung übermittelt werden muss, diese Leistung, Duldung oder Unterlassung zu bewirken. Bei einem schriftlichen Leistungsgebot muss zudem die erlassende Behörde erkennbar sein.Schriftform ist indes nicht gesetzlich vorgeschrieben.
Rz. 9
Ein neues Leistungsgebot ist erforderlich, wenn der Verwaltungsakt, dessen Leistung begehrt wird, nachträglich in einem Rechtsbehelfsverfahren dahin gehend geändert wird, dass eine höhere Schuld gegeben ist. Das neue Leistungsgebot ist dann in jedem Fall für den Teil der Schuld erforderlich, der vom alten Leistungsgebot noch nicht erfasst war. Kein neues Leistungsgebot ist aber notwendig, wenn die Fälligkeit der Leistung im Einzelfall hinausgeschoben worden ist und diese Frist abläuft. Dies gilt bei einer Stundung der Leistung oder einem Zahlungsaufschub sowie einer Aussetzung der Vollziehung.
Rz. 10
Gegen einen Gesamtrechtsnachfolger muss in jedem Fall ein neues Leistungsgebot ergehen, auch wenn ein solches gegen den Rechtsvorgänger bereits erfolgt ist. Nach § 45 Abs. 1 AO gehen zwar die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Gesamtrechtsnachfolger über und zudem muss auch ein Gesamtrechtsnachfolger nach § 166 AO eine unanfechtbare Steuerschuld gegen sich der Höhe nach gelten lassen, doch gilt dies nicht für das Leistungsgebot. Nach § 254 Abs. 1 S. 3 AO gilt dies auch dann, wenn gegen den Rechtsvorgänger bereits mit der Vollstreckung begonnen worden ist. Eine Anwendung von § 779 ZPO, der die Fortführung der Vollstreckung gegen den Nachlass ermöglicht, ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 254 Abs. 1 S. 2 AO nicht zulässig.
Rz. 11
Da das Leistungsgebot ein eigenständiger Verwaltungsakt ist, muss es auch den Anforderungen, die die AO an Verwaltungsakte stellt, genügen. Insbesondere ist deshalb erforderlich, dass die Bestimmungen des § 119 AO eingehalten werden. Ein Leistungsgebot muss nicht zwingend schriftlich ergehen, doch wenn dies – wie in der Praxis üblich – geschieht, ist § 121 AO zu beachten. Das Leistungsgebot ist von Amts wegen zu aktualisieren, wenn es nicht mehr dem aktuellen Saldenstand entspricht.
Rz. 12
Wie jeder andere Verwaltungsakt erfordert das Leistungsgebot die Bekanntgabe gegenüber demjenigen, für den es bestimmt ist. Die Bekanntgabe selbst richtet sich nach der allgemeinen Regelung des § 122 AO. Eine besondere Form ist für die Bekanntgabe des Leistungsgebots nicht vorgeschrieben. Sofern mehrere Personen Vollstreckungsschuldner sind, ist jedem Einzelnen das Leistungsgebot zu übermitte...