Rz. 15
Die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, an die das Ansinnen eines Vollstreckungsaufschubs gestellt worden ist, liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Die Behörde kann also im Rahmen ihrer pflichtgemäßen Ermessensausübung entscheiden, ob sie eine Maßnahme und welche Maßnahme sie vornimmt. Bei der Ermessensentscheidung hat die Behörde auch ihre Doppelstellung als Gläubigerin und Vollstreckungsbehörde zu beachten und deshalb die Belange des Vollstreckungsschuldners in einem besonderen Maß zu berücksichtigen. Im Einzelfall kann sich das Ermessen der Behörde allerdings auf Null reduzieren, wenn die einzelne Vollstreckungsmaßnahme so unbillig ist, dass nur eine Maßnahme nach § 258 zu einer pflichtgemäßen Entscheidung führen kann.
Rz. 16
Im Rahmen der Ermessensentscheidung sind u. a. die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:
- vorläufiges Unterlassen bestimmter Vollstreckungsmaßnahmen, um abzuwarten, ob andere Vollstreckungsmaßnahmen bereits zur Befriedigung führen; hierbei handelt es sich um einen Ausfluss des Verbots der Überpfändung;
- Absehen oder Aussetzen von besonders belastenden Maßnahmen, um mit einer weniger belastenden Maßnahme die Vollstreckung durchzuführen;
- Gewährung einer angemessenen Frist, um dem Vollstreckungsschuldner zu ermöglichen, die Mittel für die Schuldentilgung zu beschaffen.
Rz. 17
Wirksam wird dabei die Maßnahme mit der Bekanntgabe an den Vollstreckungsschuldner. Schriftform ist für die Entscheidung nicht erforderlich, doch wird regelmäßig eine schriftliche Entscheidung erfolgen. Zu beachten ist, dass die Vollstreckungsbehörde ihre Maßnahme auch befristen oder unter einen Widerrufsvorbehalt stellen oder mit einer sonstigen Nebenbestimmung versehen kann. Möglich ist es etwa, eine Sicherheitsleistung oder eine Ratenzahlung zu verlangen. Besteht kein Widerrufsvorbehalt, kann eine Rücknahme oder ein Widerruf nur nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 130, 131 AO erfolgen.
Rz. 18
Die Gewährung eines Vollstreckungsaufschubs hat – wie bereits oben ausgeführt – nicht zur Folge, dass die Fälligkeit der Steuerforderung aufgehoben wird. Insbesondere entstehen Säumniszuschläge gem. § 240 AO deshalb auch bei einem gewährten Vollstreckungsaufschub. Für die entstehenden Säumniszuschläge kommt deshalb allenfalls die Möglichkeit eines Erlasses nach § 227 AO in Betracht. Nach der Rspr. des BFH soll ein Erlass insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Vollstreckungsschuldner überschuldet ist, da dann ein persönlicher Erlassgrund gegeben ist.
Rz. 19
Hinsichtlich des Eintritts der Zahlungsverjährung ist anzumerken, dass nach § 231 Abs. 1 AO die Gewährung eines Vollstreckungssaufschubs grundsätzlich eine Unterbrechung der Verjährungsfrist bewirkt, sodass eine neue Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Einschränkend zu dieser gesetzlichen Regelung hat der BFH allerdings entschieden, dass der Vollstreckungsaufschub dem Vollstreckungsschuldner mitgeteilt werden muss, damit eine Unterbrechung der Zahlungsverjährung bewirkt wird. Begründet hat der BFH dies damit, dass nur bei einer Mitteilung die Rechtssicherheit gewahrt sei, was sicherlich als zutreffend anzusehen ist.