1 Allgemeines
1.1 Inhalt und Bedeutung
Rz. 1
§ 26 AO regelt in S. 1 den Zeitpunkt, zu dem sich der Wechsel der örtlichen Zuständigkeit der Finanzbehörden bei einer Veränderung der sie begründenden Umstände vollzieht. S. 2 erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen die Fortsetzung eines begonnenen Verwaltungsverfahrens durch die bisher zuständige Finanzbehörde. Der durch das JStG 2008 v. 20.12.2007 angefügte S. 3 schiebt den Zuständigkeitswechsel in Insolvenz- und Liquidationsfällen über den sich aus S. 1 ergebenden Zeitpunkt hinaus.
1.2 Anwendungsbereich
Rz. 2
§ 26 AO bezieht sich ausschließlich auf den Wechsel der örtlichen Zuständigkeit, nicht hingegen den der sachlichen Zuständigkeit. Im Fall der sachlichen Zuständigkeit müssen die Voraussetzungen im Zeitpunkt der Amtshandlung vorliegen. Insoweit kann die nicht mehr zuständige Behörde allenfalls noch im Wege der Amtshilfe tätig werden.
Ein Zuständigkeitswechsel i. S. v. § 26 AO ist auch über Landesgrenzen hinweg möglich.
Rz. 3
Die Vorschrift ist auf alle Steuern – seien es laufend zu veranlagende oder einmalige – anwendbar, bei denen die örtliche Zuständigkeit von Umständen abhängt, die sich im Zeitverlauf ändern können.
Keine Bedeutung hat die Vorschrift für Steuern, bei denen sich die örtliche Zuständigkeit nach einem zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhandenen Merkmal oder nach dem Ort der Tatbestandsverwirklichung bestimmt.
2 Voraussetzungen für einen Zuständigkeitswechsel (§ 26 S. 1 AO)
2.1 Veränderung der zuständigkeitsbegründenden Umstände
Rz. 4
Der Übergang der örtlichen Zuständigkeit setzt die Veränderung der sie begründenden Umstände voraus. Umstände i. d. S. sind zumindest in erster Linie tatsächliche Verhältnisse, z. B. die Verlegung des Wohnsitzes, der Geschäftsleitung, der Verwaltung, der (vorwiegenden) Tätigkeitsausübung oder des (vorwiegenden) Betreibens des Unternehmens. Ob auch Veränderungen aufgrund von Rechtsakten unter § 26 AO fallen, ist nicht abschließend geklärt. Soweit die Zuständigkeit einzelner Finanzbehörden durch Rechtsverordnungen nach § 12 Abs. 3 bzw. § 17 Abs. 2 S. 3 und 4 FVG beschränkt oder erweitert wird, liegt eine Änderung der sachlichen Zuständigkeit vor, die einer Anwendung des § 26 AO entgegensteht. Dagegen führt die bloße Verschiebung der Bezirksgrenze nicht zu einer Änderung der sachlichen Zuständigkeit der Finanzbehörde, weil sie nur deren räumlichen Geltungsbereich neu bestimmt. Zwar besteht in diesen Fällen keine Notwendigkeit, den Zuständigkeitsübergang nach S. 1 von der Kenntniserlangung einer der beteiligten Finanzbehörden abhängig zu machen. Praktische Gesichtspunkte können aber auch in diesen Fällen dafür sprechen, die Fortsetzung eines begonnenen Verfahrens durch die bisher zuständig gewesene Finanzbehörde nach S. 2 zu ermöglichen oder den Übergang der Zuständigkeit in Insolvenz- und Liquidationsfällen nach S. 3 hinauszuschieben.
2.2 Kenntniserlangung von den geänderten Umständen
Rz. 5
Der Wechsel der örtlichen Zuständigkeit tritt nach § 26 S. 1 AO nicht bereits durch die objektive Veränderung der sie begründenden Umstände, sondern erst dadurch ein, dass entweder die bisher oder die nunmehr zuständige Finanzbehörde von diesen Umständen Kenntnis erlangt. Dies setzt positive Kenntnis einer der beteiligten Behörden von diesen Umständen voraus; bloßes Kennenmüssen reicht nicht aus. Die Art der Kenntniserlangung ist unerheblich. Die den Zuständigkeitswechsel begründenden Umstände müssen aus der Sicht der Behörde aber eindeutig feststehen. Daran fehlt es, wenn es zur Klärung der Zuständigkeit einer umfangreichen Beweisaufnahme bedarf. Sichere Kenntnis von einem Wohnsitzwechsel können die Finanzbehörden durch eine Anzeige des Stpfl. oder eine Mitteilung der Meldebehörde erlangen, während die bloße Kenntniserlangung vom Wegzug des Stpfl. an einen unbestimmten Ort nicht ausreicht. Ebenso begründet die Tatsache, dass einer der Ehegatten eine Wohnung außerhalb des bisherigen FA-Bezirks unterhält, nicht den Schluss auf die Verlegung des Wohnsitze...