Rz. 26

Durch Widerspruchsklage können auch Einwendungen nach §§ 772774 ZPO erhoben werden, ohne dass ein die Veräußerung hinderndes Recht gegeben ist. Dies wird durch den Verweis in § 262 Abs. 1 S. 1 AO auf die entsprechenden zivilprozessualen Normen klargestellt.

4.3.1 Widerspruchsklage bei Veräußerungsverbot (§ 772 ZPO)

 

Rz. 27

§ 772 ZPO normiert die Möglichkeit einer Widerspruchsklage bei einem Veräußerungsverbot. Nach dieser Bestimmung soll, solange ein Veräußerungsverbot nach §§ 135, 136 BGB besteht, ein Gegenstand, auf den es sich bezieht, wegen eines persönlichen Anspruchs oder aufgrund eines infolge des Verbots unwirksamen Rechts nicht im Weg der Zwangsvollstreckung veräußert oder überwiesen werden. Aufgrund des Veräußerungsverbots kann nach Maßgabe des § 771 ZPO Widerspruch erhoben werden.

 

Rz. 28

§ 772 ZPO, der hier einen Widerspruch nach Abs. 1 S. 1 und nicht nach § 771 ZPO begründet, betrifft wegen des Zitats der §§ 135, 136 BGB nur die sogenannten relativen Veräußerungsverbote.[1] Diese bestehen ausschließlich zum Schutz bestimmter Personen, während die absoluten Veräußerungsverbote gegenüber jedermann gelten. Die gesetzlichen Veräußerungsverbote nach § 135 BGB sind in der Praxis von geringer Bedeutung, da nach h. M. weder die Fälle der §§ 399, 717, 719 und 1130 BGB noch die Verfügungsbeschränkungen der Ehegatten[2], bei Verfügung über das Gesamtgut im Ganzen[3], der Eltern[4], des Vormunds[5] und der Erben im Fall der Testamentsvollstreckung[6] hierunter fallen.[7] Bei ihnen soll es sich um absolute Veräußerungsverbote handeln, die zu den die Veräußerung hindernden Rechten gehören.[8]

 

Rz. 29

Die gerichtlichen und behördlichen Veräußerungsverbote gem. § 136 BGB führen wie die seltener vorkommenden gesetzlichen Veräußerungsverbote nach § 135 BGB zur Widerspruchsmöglichkeit. Es handelt sich um die zum Schutz bestimmter Personen von einem Gericht oder einer Behörde angeordneten Veräußerungsverbote, z. B. die Beschlagnahme im Zwangsversteigerungsverfahren[9], das gerichtliche Verfügungsverbot nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO, die Pfandrechte nach §§ 804, 826, 829 und 857 ZPO.[10] Die einstweilige Verfügung gem. § 938 Abs. 2 ZPO enthält ebenfalls ein gerichtliches Veräußerungsverbot.[11]

 

Rz. 30

Das relative Veräußerungsverbot wirkt nur, wenn es geltend gemacht wird. Der Widerspruch gibt dabei der geschützten Person nur das Recht hinsichtlich der Veräußerung oder Überweisung, nicht aber auch hinsichtlich einer Pfändung bzw. Eintragung einer Zwangshypothek.[12]

[1] Herget, in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 772 ZPO Rz. 2.
[7] Klein/Werth, AO, 17. Aufl. 2024, § 262 AO Rz. 20f.; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 83. Aufl. 2024, §§ 135, 136 BGB Rz. 2.
[8] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 262 AO Rz. 17; s. auch Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 262 AO Rz. 30; Herget, in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 772 ZPO Rz. 1ff.
[10] In der AO entsprechend §§ 282, 307, 309, 314, 321 AO.
[11] Vollkommer, in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 938 ZPO Rz. 12.
[12] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 262 AO Rz. 19.

4.3.2 Widerspruchsklage des Nacherben (§ 773 ZPO)

 

Rz. 31

§ 773 ZPO eröffnet die Möglichkeit einer Widerspruchklage für Nacherben.[1] Diese Norm bestimmt, dass ein Gegenstand, der zu einer Vorerbschaft gehört, nicht im Weg der Zwangsvollstreckung veräußert oder überwiesen werden soll, wenn die Veräußerung oder die Überweisung im Fall des Eintritts der Nacherbfolge nach § 2115 BGB dem Nacherben gegenüber unwirksam ist. Der Nacherbe kann nach Maßgabe des § 771 ZPO Widerspruch erheben.[2]

 

Rz. 32

§ 773 ZPO bezweckt also den Schutz des Nacherben im Fall der noch nicht eingetretenen Nacherbfolge. Würde bei Eintritt der Nacherbfolge die Veräußerung oder Überweisung eines zum Nachlass gehörenden Gegenstands nach § 2115 BGB (Zwangsvollstreckung, Arrestvollziehung, Verfügung des Insolvenzverwalters) insoweit unwirksam, als sie die Rechte des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würden, kann der Nacherbe Widerspruch erheben. Dies gilt nicht in den Fällen des § 2115 S. 2 BGB, in denen die Verfügung über einen Nachlassgegenstand unbeschränkt wirksam bleibt, wenn der Anspruch eines Nachlassgläubigers oder ein an einem Erbschaftsgegenstand bestehendes Recht geltend gemacht wird.

 

Rz. 33

Der Nacherbe kann mit dem Widerspruch nur Einwendungen gegen die Veräußerung oder Einziehung geltend machen. Einer bloßen Pfändung oder Eintragung einer Zwangshypothek vor Eintritt der Nacherbfolge kann er nicht widersprechen.[3] Auch muss der Nacherbe in den Fällen der befreiten Vorerbschaft die Vollstreckung einschließlich Verwertung insoweit dulden, als die Befreiung nach § 2136 BGB wirkt.

[1] Herget, in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 773 ZPO Rz. 1.
[2] Müller-Eiselt,in HHSp, AO/FGO, § 262 AO Rz. 32.
[3] Müller-Eiselt,in HHSp, AO/FGO, § 262 AO Rz. 33; Klein/Werth, AO, 17. Aufl. 2024, § 262 Rz. 24.

4.3.3 Widerspruchsklage des Ehegatten (§ 774 ZPO)

 

Rz. 34

§ 774 ZPO gewährt einem in Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten nach Maßgabe des § 741 ZPO[1] das Recht auf Widerspruch. § 741 ZPO behandelt den Fall, dass ein in Güte...

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