6.1 Grundlagen
Rz. 9
Durch die Vollstreckung soll die Erfüllung der Forderungen zwangsweise durchgesetzt werden. Dieser Zwang muss dort seine Grenze finden, wo andernfalls der Vollstreckungsschuldner eines gewissen Existenzminimums beraubt werden würde. Demgemäß sind nicht nur existenznotwendige Sachen, sondern insbesondere auch das zum Lebensunterhalt dienende Arbeitsentgelt ganz oder teilweise unpfändbar. Die AO verweist hierbei im Wesentlichen auf die Bestimmungen, die sich aus der ZPO bezüglich der Unpfändbarkeit ergeben.
Rz. 10
Darüber hinaus ist auch im Vollstreckungsverfahren der allgemeine Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
Ausfluss dieses Grundsatzes sind auch die Regelungen des § 281 Abs. 2 und 3 AO, das Verbot der Überpfändung (vgl. Rz. 11ff.) sowie das Verbot der zwecklosen Pfändung (S. Rz. 17ff). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit behält neben diesen Regelungen eigenständige Bedeutung. Er kann bewirken, dass die Pfändung unbillig wird.
6.2 Verbot der Überpfändung (§ 281 Abs. 2 AO)
Rz. 11
Für die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen gilt generell das Verbot, mehr zu pfänden, als dies zur Befriedigung der Forderung und der Kosten voraussichtlich erforderlich ist. Dies ist als ein Ausfluss des Prinzips der Verhältnismäßigkeit zu sehen. Ein Verstoß gegen dieses Verbot führt allerdings nicht zur Unwirksamkeit der Pfändung. Es handelt sich insoweit lediglich um ein Ordnungskriterium, gegen dessen Nichtbeachtung der Vollstreckungsschuldner den Rechtsbehelf des Einspruchs hat. Darüber hinaus kommt ein Schadensersatzanspruch nach staatshaftungsrechtlichen Grundsätzen in Betracht. Hierbei hat der Vollstreckungsschuldner den Wert des Pfandgegenstands darzulegen. Die unsubstanziierte Behauptung der Überpfändung reicht nicht aus.
Rz. 12
Die Vollstreckungsbehörde bzw. der Vollziehungsbeamte hat deshalb den Wert des zu pfändenden Gegenstands vor der Durchführung der Pfändung zu schätzen. Abzustellen ist hierbei bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf den vermutlichen Verwertungserlös. Erforderlichenfalls ist auf die Kenntnisse eines Sachverständigen zurückzugreifen, kann aber im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Dies gilt sowohl für Sachen, als auch für Forderungen.
Rz. 13
Durch das Verbot der Überpfändung soll verhindert werden, dass wegen einer Forderung eine Vielzahl von Vermögensgegenständen gepfändet wird, wenn vermutlich bereits die Verwertung eines oder weniger Vermögensgegenstände zur Befriedigung führen würde. Stellt sich hingegen nachträglich heraus, dass die Pfändung unzureichend war, weil der Verwertungserlös den Vollstreckungsgläubiger nicht befriedigt hat, so hat die Vollstreckungsbehörde eine Nachpfändung zu veranlassen.
Rz. 14
Eine Überpfändung liegt auch dann vor, wenn bereits vorher getroffene Vollstreckungsmaßnahmen mit einiger Sicherheit zur Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers ausreichen. Bei der zulässigen Pfändung zukünftiger Forderungen ist hierbei das Risiko der Nichtentstehung oder eines vorzeitigen Wegfalls zugunsten des Vollstreckungsgläubigers zu berücksichtigen.
Rz. 15
Ein Verstoß gegen das Verbot der Überpfändung ist auch gegeben, wenn von mehreren vorhandenen Gegenständen ein extrem wertvoller gepfändet wird, obgleich auch der Erlös eines geringwertigen Gegenstands erkennbar ausreichend gewesen wäre. Ist nur ein Vermögensgegenstand vorhanden, kommt eine Überpfändung nicht in Betracht. Ebenso liegt keine Überpfändung vor, wenn bei mehreren Gesamtschuldnern in voller Höhe gepfändet wird.