1 Allgemeines
Rz. 1
§ 294 AO entspricht § 349 RAO. Die entsprechende Bestimmung für das zivilprozessuale Vollstreckungsrecht ist § 810 ZPO. Der Sinn und Zweck der Bestimmung ist in einer Erleichterung der Vollstreckung im landwirtschaftlichen Bereich zu sehen, indem eine Ausnahmeregelung zu den allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen getroffen wird. Da Früchte auf dem Halm nach § 94 BGB wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind, wäre eine Vollstreckung in diese nur im Weg der Vollstreckung in das Grundstück möglich. Um hier die Vollstreckung bereits vor der Erntezeit nach den Regelungen über bewegliche Sachen zu ermöglichen, schafft die AO hierzu Sonderregelungen. So können diese gepfändeten ungetrennten Früchte nicht nur gesondert gepfändet, sondern auch bereits versteigert werden. Ergänzende Bestimmungen für die Pfändung von Früchten auf dem Halm finden sich in Abschn. 39 VollzA sowie auch in Abschn. 45 VollzA, der verschiedene Aspekte der Pfändung bei Landwirten betrifft.
2 Voraussetzungen der Pfändung
2.1 Früchte auf dem Halm
Rz. 2
Unter Früchten i. S. d. § 294 AO sind nicht Früchte i. S. d. allgemeinen Definition des § 99 BGB zu verstehen, sondern ausschließlich solche, die periodisch zu ernten sind, also insbesondere Obst, Getreide, Hackfrüchte, Gras, Erzeugnisse von Gärtnereien und Baumschulen. Trotz der Bezeichnung als Früchte auf dem Halm werden auch solche Erzeugnisse erfasst, die im oder auf dem Boden, am Baum oder am Strauch wachsen. Nach allgemeiner Ansicht werden hingegen Bodenschätze nicht als Früchte i. S. d. Bestimmung angesehen, da diese keine allgemeine Reifezeit haben. Holz hat zwar eine Reifezeit, doch liegt diese bei vielen Jahren, sodass nicht mehr von einer periodischen Reife gesprochen werden kann. Die Pfändung von Holz unterliegt deshalb nicht § 294 AO. Auch Steine, Mineralien oder Torf fallen nicht unter diese Bestimmung.
2.2 Keine Beschlagnahme des Grundstücks
Rz. 3
Die Pfändung der Früchte auf dem Halm ist ausgeschlossen, wenn das Grundstück bereits im Weg der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen beschlagnahmt worden ist. In Betracht kommt hierbei die Anordnung der Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung. Die Beschlagnahme in das unbewegliche Vermögen erstreckt sich nämlich auch auf die Früchte auf dem Halm. Eine Ausnahme hiervon besteht allerdings für dem Pächter eines Grundstücks zustehende Früchte. Diese werden nach § 21 Abs. 3 ZVG nicht von der Beschlagnahme erfasst, sodass diese trotz einer Beschlagnahme nach § 294 AO gepfändet werden können. Erfolgt trotz der Beschlagnahme des Grundstücks eine Pfändung der Früchte auf dem Halm, ist diese Pfändung als nichtig anzusehen.
2.3 Keine verfrühte Pfändung
Rz. 4
Ferner darf die Pfändung nicht zu früh erfolgen, sondern erst einen Monat vor der gewöhnlichen Reife. Die gewöhnliche Reife bestimmt sich nach der einzelnen Fruchtart und der gewöhnlichen Witterung. Die Besonderheiten des jeweiligen Jahres sind nicht zu berücksichtigen. Erfolgt eine verfrühte Pfändung, ist diese mit einem Einspruch anfechtbar, aber die Pfändung ist nicht etwa nichtig. Die Monatsfrist berechnet sich nach § 108 AO. Nach dem Eintritt der Reife wird ein eingelegter Einspruch gegenstandslos, da das Rechtsschutzbedürfnis weggefallen ist.
2.4 Keine sonstige Unpfändbarkeit
Rz. 5
Schließlich dürfen die Früchte nicht aufgrund sonstiger Bestimmungen unpfändbar sein. Diese Unpfändbarkeit kann sich insbesondere aus § 295 AO i. V. m. § 811 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ergeben. Nach diesen Bestimmungen dürfen solche Sachen nicht gepfändet werden, die zur Sicherung des Unterhalts des Vollstreckungsschuldners, seiner Familie und seiner Arbeitnehmer oder zur Fortführung der Wirtschaft bis zur nächsten Ernte gleicher oder ähnlicher Erzeugnisse erforderlich sind. Eine sonstige Unpfändbarkeit kann sich u. U. auch aus § 811 A...