2.1 Geldleistung
Rz. 5
Steuern sind wie alle Abgaben Geldleistungen, also keine Sach- oder Dienstleistungen. Da es für die Begriffsbestimmung der Steuer unbeachtlich ist, ob die Geldleistung einmalig oder fortlaufend zu erbringen ist, konnte der entsprechende Hinweis in § 1 Abs. 1 RAO als entbehrlich gestrichen werden.
2.2 Von öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen auferlegt
Rz. 6
Die Geldleistung muss von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen auferlegt worden sein. Dies sind nicht nur die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts (Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände), sondern nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 1 AO sämtliche Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Verfassungsrechtlich ist die Besteuerungsgewalt zwar nur den Gebietskörperschaften und ferner gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV den korporierten Religionsgesellschaften verliehen, sodass von Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts auferlegte Steuern verfassungswidrig wären. Dies könnte an der Anwendbarkeit des § 3 AO, der nicht auf die Verfassungsmäßigkeit einer Steuer abstellt (s. Rz. 4 und 35ff.), nichts ändern.
Rz. 7
Eine Geldleistung wird nur "auferlegt", wenn der Rechtsgrund der Verpflichtung einseitig und ohne Rücksicht auf den entsprechenden oder entgegenstehenden Willen des Verpflichteten durch hoheitlichen Akt gesetzt worden ist. Freiwillige Zahlungen (z. B. Spenden) oder Höherzahlungen sind keine Steuern. Auch gesetzliche oder andere Abgabe- oder Ablieferungspflichten von Sondervermögen der Gebietskörperschaften, von öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Zahlungen privatrechtlicher Art aus Beteiligungen und wirtschaftlichen Tätigkeiten juristischer Personen des öffentlichen Rechts sind keine Steuern i. S. d. § 3 Abs. 1 AO.
Darüber hinaus muss die Geldleistungspflicht "allen" auferlegt werde, "bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft". Mit diesem Erfordernis verweist § 3 Abs. 1 AO auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit (Tatbestandsmäßigkeit) der Besteuerung und ferner auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Diese Grundsätze finden ihre verfassungsrechtliche Fundierung in erster Linie in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 1 GG. Das gilt auch für Steuervergünstigungen. Diese sind verfassungswidrig, wenn sie Gestaltungen zulassen, mit denen Steuerentlastungen erzielt werden können, die nicht bezweckt und die gleichheitsrechtlich nicht zu rechtfertigen sind.
2.3 Erzielung von Einnahmen
Rz. 8
Zweck der Geldleistungen muss die Erzielung von Einnahmen sein. Eine etwaige Zweckbindung des Steueraufkommens ist für den Steuerbegriff des § 3 Abs. 1 AO unschädlich. Dabei lassen sich nach Zweck und Zielrichtung der Besteuerungsvorschriften die sog. Fiskalzwecknormen ("Finanzzwecksteuern") von den sog. Lenkungsnormen (Sozialzwecknormen) unterscheiden. Alleiniger Zweck der Fiskalzwecknormen ist die Erzielung von Einnahmen. Bei Lenkungsnormen steht hingegen das Ziel der mittelbaren Verhaltenssteuerung im Vordergrund, wobei die Einnahmeerzielung nur Nebenzweck sein kann. Die Steuereigenschaft solcher Lenkungsnormen erkennt § 3 Abs. 1 Halbs. 2 AO – dazu nachfolgend – ausdrücklich an.
Rz. 9
Praktische Bedeutung hat die Abgrenzung zwischen Fiskalzweck- und Lenkungsnormen z. B. im Zusammenhang mit der Anwendung des § 40 AO und ferner für die (insbesondere teleologische oder analoge) Auslegung der jeweiligen Norm. Verfassungsrechtlich besteht für durch Lenkungsnormen bewirkte Ungleichbehandlungen ein erhöhter Rechtfertigungsbedarf (vgl. Rz. 55f.).
Rz. 10
Der Gesetzgeber hat wegen der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Begriffsbestimmung bewusst von einer weiteren Fassung des Merkmals etwa durch die Worte "zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben" Abstand genommen. Dieses Merkmal könnten zwar ein zurückzuzahlender Konjunkturzuschlag oder ähnliche Zwangsanleihen erfüllen. Bei einer rückzahlbaren Abgabe fehlt es aber am Zweck der Einnahmeerzielung und damit an einer Steuer.
Rz. 11
Keine Steuern sind die von § 3 Abs. 4 AO als steuerliche Nebenleistungen bezeichneten Vorgänge. Diese Geldleistungen sind Ungehorsamsfolgen mit Sanktionscharakter und zielen nicht auf die Erzielung staatlicher Einnahmen. § 3 Abs. 4 Nr. 10 AO und § 3 Abs. 5 Satz 5 AO sollen der Deckung der mitunter aufwändigen Prüfung der Auskunftserteilung dienen.
Rz. 12
Der Umstand, dass der neben der Einnahmeerzielung verfolgte Hauptzweck nicht oder nur unvollkommen erreicht werden kann, beeinträchtigt die Qualität der Steuer nicht. Wenn allerdings der andere Hauptzweck gerade auf eine Unterbindung der Einnahmeer...