3.1 Amtsgeheimnis
Rz. 8
Das Steuergeheimnis geht über die beamtenrechtlichen Vorschriften über die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit und die entsprechenden Regeln des Angestelltentarifrechts hinaus. Die Amtsverschwiegenheit gilt wegen der Verpflichtung der Gerichte, Behörden, öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten zur gegenseitigen Rechts- und Amtshilfe nicht für Auskünfte und Mitteilungen im dienstlichen Verkehr. Deswegen erlangt das Steuergeheimnis – im Gegensatz zu § 30 VwVfG und § 35 SGB I – gerade im Verhältnis der Finanzbehörden und der sonst mit steuerlichen Fragen amtlich befassten Stellen zu anderen Behörden und Gerichten eine besondere Bedeutung. Das Steuergeheimnis stößt dort häufig auf Unverständnis, da sein Sinn und Zweck verkannt werden. Soweit die Finanzbehörden durch das Steuergeheimnis geschützte personenbezogene Daten zulässig anderen Behörden, Dienststellen oder Gerichten offenbaren, sind die so informierten Amtsträger oder gleichgestellten Personen ihrerseits an das Steuergeheimnis gebunden (sog. verlängertes Steuergeheimnis). Wegen der weitergehenden Wirkung des Steuergeheimnisses ist § 30 AO bei der Erteilung von Aussagegenehmigungen besonders zu beachten. § 30 AO ist lex specialis gegenüber § 67 Abs. 1 und 2 BBG, die die Versagung der Aussagegenehmigung nach § 67 Abs. 3 BBG auf die Fälle beschränken, in denen die dienstlichen Rücksichten dies unabweisbar erfordern oder andere schwerwiegende Gründe bestehen. Die Regeln des § 30 AO sind dagegen stets einzuhalten.
Auch im Bereich der Strafbarkeit weisen das Amts- und das Steuergeheimnis einen ganz gravierenden, nicht zuletzt auch unter Beweisführungsgesichtspunkten relevanten, Unterschied auf. § 353b StGB macht die Verletzung des Dienstgeheimnisses von der Gefährdung öffentlicher Interessen abhängig. Zum unbefugten Offenbaren tritt bei diesem Gefährdungsdelikt die Begründung einer konkreten Gefahr eines dadurch entstehenden Nachteils für die öffentlichen Interessen von Rang hinzu. Strafgrund ist (nur) die Gefährdung öffentlicher Interessen, nicht (auch) die Beeinträchtigung desjenigen, dessen Daten betroffen sind.
Anders ist dies beim Steuergeheimnis. Zum einen sieht § 355 Abs. 1 StGB schon kein zusätzliches Tatbestandsmerkmal der Gefährdung vor. Die Verletzung des Steuergeheimnisses ist also nicht als Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Vielmehr genügt die bloße Tathandlung des Offenbarens zur Tatbestandsverwirklichung. Zudem zeigt das Antragsrecht des Verletzten, dass hier neben dem staatlichen Interesse auch das Interesse der einzelnen betroffenen Person strafrechtliches Schutzgut ist.
3.2 Datenschutz
3.2.1 Verhältnis zur Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)
Rz. 9
Die seit dem 25.5.2018 anzuwendende DSGVO sichert ein gleichwertiges Schutzniveau für die Rechte und Freiheiten von natürlichen Personen bei der Verarbeitung von Daten. Als EU-Verordnung ist sie in den EU-Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht. Nationales Recht tritt dahinter zurück. Die nationalen Gesetzgeber können nur dann von den Regelungen der DSGVO abweichen, wenn diese eine Öffnungsklausel enthält. Darüber hinaus ist es dem nationalen Gesetzgeber nicht nur verboten, abweichendes Recht zu schaffen, soweit nicht die DSGVO selbst dem nationalen Gesetzgeber (in eng beschriebenem Umfang) Abweichungen erlaubt. Selbst die Wiedergabe der Regelungen der DSGVO im nationalen Recht ist nach der Rechtsprechung des EuGH nicht zulässig, um zu verhindern, dass nationale Regelungen die Rechtsetzung der EU – bewusst oder unbewusst – verändern und so die Einheitlichkeit des Rechts und der Rechtsanwendung im Geltungsbereich der Verordnung zu gewährleisten. Ob das Rechtsunklarheiten schaffende Normwiederholungsgebot im aktuellen Stadium der europäischen Rechtsintegration allgemein und gerade angesichts der nationalen Öffnungsklauseln in der DSGVO überwiegend sinnvoll ist, erscheint – ohne den mit dieser Sicherstellung einer einheitlichen Anwendung europäischen Rechts verbundenen Gehalt geringzuschätzen – durchaus fragwürdig. In der DSGVO wurde kein Privileg für die Finanzverwaltung geregelt. Die DSGVO hat deshalb – soweit sie unmittelbar anwendbar ist – unbedingt Vorrang vor den Regelungen der AO. Von besonderer Bedeutung ist es dabei, dass die DSGVO verschiedene datenschutzrechtliche Begrifflichkeiten, die auch in § 30 AO Bedeutung haben, verbindlich definiert. Dementsprechend waren auch die Begrifflichkeiten des § 30 AO an die in der DSGVO verwendeten Definitionen anzupassen. Der deutsche Gesetzgeber durfte dabei die aus der DSGVO übernommenen Definitionen nicht ändern, ergänzen oder einschränken. Für die Auslegung der in der Folge im nationalen Recht normierten Begriffe bleibt die DSGVO maßge...