Rz. 102a

Nicht zuletzt, um die Erfüllung der Aufgaben des Statistischen Bundesamtes zu fördern, war es naheliegend und wohl erforderlich, mindestens insoweit auch die Erfüllung der Aufgaben der Statistischen Landesämter – zumindest teilweise – durch die Nutzungserlaubnis geschützter Daten aus den Besteuerungsverfahren zu ermöglichen. Das Statistische Bundesamt und die Statistischen Landesämter arbeiten entsprechend der Gesetzesbegründung bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben eng zusammen. Die ursprüngliche Beschränkung der Offenlegungsbefugnis des § 30 Abs. 4 Nr. 2b AO auf die Aufgaben des Statistischen Bundesamtes behindere die Zusammenarbeit der Statistikämter untereinander und erschwere insbesondere den Statistischen Landesämtern die Arbeit.[1] Dementsprechend wurde die Regelung des § 30 Abs. 4 Nr. 2b AO mit Gesetz vom 12.12.2019[2] auch auf einen Teil der Aufgaben der Statistischen Landesämter erweitert. Dabei bezog der Gesetzgeber diese Öffnungsklausel nicht auf deren Aufgaben als Ganzes, sondern nur auf solche Aufgaben, die durch Bundesgesetze vorgegeben werden.

 

Rz. 102b

Dem Bundesgesetzgeber war bewusst, dass die Öffnung des Steuergeheimnisses für alle – auch zukünftigen – Aufgaben der Statistischen Landesämter erhebliche Risiken hätte begründen können.

Zum einen hätten hier – anders als ausdrücklich nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO – Regelungen zur Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten durch Landesgesetze begründet werden können. Zum anderen ergeben sich aus statistischen Auswertungen auch spezifische Risiken, die nicht der Regelung durch den Landesgesetzgeber überlassen werden sollten. Ausweitende landesrechtliche Regelungen verbunden mit entsprechenden Öffnungsregelungen für das Steuergeheimnis hätten anderenfalls vom Bundesgesetzgeber nicht mehr kontrolliert werden können. Nur bundesrechtliche Regelungen unterliegen darüber hinaus zugleich dem gesetzgeberischen Korrektiv des Bundesrats.

Je nach Zusammensetzung einer eine Landesregierung tragenden Landtagsmehrheit hätte es bei einer Öffnung durch Landesgesetze zu rechtsstaatlich bedenklichen Konstellationen kommen können. Dies wäre etwa der Fall, wenn statistische Erhebungen unter Nutzung geschützter Daten etwa zu populistischen Zwecken erstellt werden würden, was erhebliche Folgewirkungen für die betroffenen Personen auslösen könnte.

 

Rz. 102c

Auch wenn die Offenbarungs- und Verwertungsbefugnis für Aufgaben der Statistischen Landesämter auf die Erfüllung von Bundesgesetzen beschränkt ist, hat die Regelung des § 30 Abs. 4 Nr. 2b 2. Alt. AO durchaus einen eigenen Regelungsbereich. Während die Öffnungsnorm des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO eine ausdrückliche Offenbarungs- und Verwertungsbefugnis vom Steuergeheimnis geschützter Daten voraussetzt, ist diese Ausdrücklichkeit in den Fällen des § 30 Abs. 4 Nr. 2b 2. Alt. AO nicht gefordert.

Auch für die Einräumung von Kompetenzen zur Verwertung geschützter Daten durch die Statistischen Landesämter gilt also, dass der Bundesgesetzgeber sich bei der gesetzlichen Schaffung zusätzlicher Befugnisse zur Verwendung steuergeheimnisgeschützter Daten der Tatsache der mit dieser Datennutzungsberechtigung verbundenen Einschränkung des Steuergeheimnisses gar nicht bewusst sein muss (vgl. Rz. 102).

 

Rz. 102d

M. E. wäre es glücklicher und mit weniger Risiken verbunden gewesen, wenn sich der Gesetzgeber bei Ausdehnung der Durchbrechungsnorm des § 30 Abs. 4 Nr. 2b AO auf die Aufgaben der Statistischen Landesämter auf Zwecke der Durchführung von Aufgaben des Statistischen Bundesamts beschränkt hätte. So finden ggf. weitgehende Ausweitungen zugunsten von Landesstatistiken statt. Das Steuergeheimnis wird zugunsten der Aufgaben der Statistischen Landesämter dadurch ggf. auch umfassender geöffnet, als dies nach § 30 Abs. 4 Nr. 2b 1. Alt. AO für Bundesstatistiken der Fall ist (vgl. Rz. 99 bis 102). Einer gegen den Wortlaut einschränkenden Tatbestandsauslegung in Begrenzung auf die Aufgaben, die auch das Statistische Bundesamt hat, dürfte die Bedeutung der Öffnungsregelungen des § 30 Abs. 4 AO für den Straftatbestand des § 355 StGB und damit der Grundsatz nulla poena sine lege entgegenstehen. Bis zur Grenze der Zulassung duch Art. 5 Abs. 1 Buchst. b DSGVO (Rz. 100) ist dem Bundesgesetzgeber also auch eine Aufgabenzuweisung an Statistische Landesämter eröffnet.

[1] BR-Drs. 356/19, 217.
[2] Gesetz zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, BGBl I 2019, 2451.

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