Rz. 105a
Durch das Jahressteuergesetz 2022 wurde eine Öffnungsnorm zum Steuergeheimnis zur Archivierung geschützter Daten aus dem Besteuerungsverfahren und zur erlaubten Nutzung dieser Daten durch das Bundesarchiv oder zuständige Landes- oder Kommunalarchive geschaffen, die zugleich eine bundesgesetzlich orientierte Verwendungsbeschränkung dieser Daten regelt. Zu beachten ist hier, dass auch für die Zulassung der Archivierung und wissenschaftlichen Auswertung von besonderen Kategorien personenbezogener Daten von Art. 9 Abs. 2 Buchst. j DSGVO ein der nationalen Regelung zugänglicher Ausnahmetatbestand geschaffen wurde, der die Offenbarung für diese Zwecke zulässt. Daran haben sich die Archivgesetze orientiert und dem folgt auch die Öffnungsregelung zum Steuergeheimnis.
Die Öffnungsnorm des § 30 Abs. 4 Nr. 2d AO zielt dabei inhaltlich vornehmlich bereits auf den Schutz der Daten aus dem Besteuerungsverfahren in den für die Archivierung zuständigen Stellen. Sie ist also maßgeblich eine Schutznorm im Rahmen des weitergeleiteten Steuergeheimnisses nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c AO und der Verwendungsbeschränkung des § 30 Abs. 11 AO.
Rz. 105b
Bis zur Neufassung des BArchG in 2017 enthielt § 8 BArchG a. F. i. V. m. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO eine Offenbarungsbefugnis auch von geschützten Daten der Finanzbehörden zum Zweck der Archivierung gegenüber den zuständigen öffentlichen Archiven. § 8 BArchG a. F. enthielt dabei in S. 2 auch eine Nutzungsbestimmung nach den Vorgaben des BArchG.
Durch die Gesetzesfassung des nunmehr durch das Gesetz vom 10.3.2017 einschlägigen § 6 Abs. 4 BArchG sollte nach der Gesetzesbegründung keine Änderung der Rechtslage eintreten. Schon vor der Einfügung des § 30 Abs. 4 Nr. 2d AO war die Abgabe von Archivgut der Finanzbehörden an das Bundesarchiv nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO i. V. m. § 6 Abs. 1 und 4 BArchG zulässig. Dabei hatten die öffentlichen Stellen des Bundes dem Bundesarchiv und unter den Voraussetzungen des § 7 BArchG den zuständigen Landes- und Kommunalarchiven nach § 6 Abs. 1 S. 1 BArchG auch Unterlagen, die dem Steuergeheimnis unterliegen, zur Übernahme anzubieten, wobei derartige Unterlagen dem Bundesarchiv oder zuständigen Landes- oder Kommunalarchiven nach § 6 Abs. 4 BArchG auch von Behörden bzw. Stellen, die nicht solche des Bundes sind, zur Archivierung angeboten und abgegeben werden durften und dürfen.
Allerdings enthält § 6 Abs. 4 BArchG – anders als die Vorgängerregelung in § 8 BArchG a. F. – keine ausdrückliche, das weitergeleitete Steuergeheimnis einschränkende Nutzungsbeschränkung etwa zu wissenschaftlichen Zwecken. Um die Verwendung der archivierten Daten zu den vom BArchG genannten Zwecken zu ermöglichen und sicherzustellen, bedurfte es also einer ergänzenden Regelung. Diese hat der Gesetzgeber mit § 30 Abs. 4 Nr. 2d AO geschaffen.
Rz. 105c
Zugleich wirkt die Regelung des § 30 Abs. 4 Nr. 2d AO aber auch als lex specialis gegenüber einer eventuellen "Nutzungsauslegung" aus § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO i. V. m. § 6 Abs. 4 BArchG. Die Nutzung der archivierten Daten ist deshalb ausschließlich zu den in § 30 Abs. 4 Nr. 2d AO genannten Zwecken erlaubt.
Rz. 105d einstweilen frei
8.1.8.1 Archivierung durch das Bundesarchiv
Rz. 105e
Die das Steuergeheimnis einschränkende Archivgutregelung des § 30 Abs. 4 Nr. 2d AO sieht hinsichtlich des Bundesarchivs vor, dass die Offenbarung oder Verwertung der geschützten Daten zulässig ist, soweit sie der Sicherung, Nutzung und wissenschaftlichen Verwertung von Archivgut der Finanzbehörden durch das Bundesarchiv nach Maßgabe des BArchG dient. Einschlägig sind hier zwar aktuell die Vorgaben der §§ 6 und 10 bis 14 des BArchG, da die Öffnungsnorm aber insoweit keine Einschränkung vorsieht, wirkt sie dynamisch auch für zukünftige Änderungen der Regelungen des BArchG.
Rz. 105f-105g einstweilen frei
8.1.8.2 Archivierung durch die Landes- oder Kommunalarchive
Rz. 105h
Auch für Landes- und Kommunalarchive greift die Öffnungsregelung zum Steuergeheimnis durch § 30 Abs. 4 Nr. 2d AO. Danach ist die Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten zulässig, soweit sie der Sicherung, Nutzung und wissenschaftlichen Verwertung von Archivgut der Finanzbehörden durch das zuständige Landes- oder Kommunalarchiv nach Maßgabe des einschlägigen Landesgesetzes oder der einschlägigen kommunalen Satzung dient, soweit die Beachtung der Vorgaben der §§ 6 und 10 bis 14 des BArchG im Landesrecht oder in der kommunalen Satzung sichergestellt ist.
Nur formal ist hier also eine Öffnungsregelung entgegen § 30 Abs. 4 Nr. 2 und 2a AO auch durch Landes- und Kommunalrecht eröffnet. Inhaltlich wirkt die statische Begrenzung der Regelungsinhalte auf die Vorgaben der §§ 6 und 10 bis 14 BArchG aber wie eine bundesrechtlich einheitliche Regelung, ohne formal in Gesetzgebungsrechte des Landesgesetzgebers oder des kommunalen Satzungsgebers einzugreifen.
Rz. 105i
Die ursprüngliche Normfassung d...