Rz. 147
Die Verletzung des Steuergeheimnisses kann strafrechtliche, disziplinarische und zivilrechtliche Folgen haben.
Strafrechtlich wird die vorsätzliche, also bewusste und gewollte Verletzung des Steuergeheimnisses für die Fälle des Offenbarens von geschützten Daten nach § 355 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Als Nebenstrafe kann das Gericht bei einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkennen. Die Strafbewehrung wirkt unabhängig davon, ob ein konkreter Schaden eingetreten ist (Rz. 8). Die Tat kann nur auf Antrag des Dienstvorgesetzten oder des Verletzten verfolgt werden. Der unbefugte Abruf ist mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens in den Straftatbestand des § 355 StGB in abweichender Gestaltung (s. Rz. 65) aufgenommen worden. Diese Regelung bedarf insbesondere deshalb besonderer Betrachtung, weil eine nach § 30 AO das Steuergeheimnis verletzende Tathandlung nach § 355 StGB (zunächst) straffrei bleibt, die spätere Verwertung der Erkenntnisse, die nach § 30 AO in der Folge der schon erfolgten Verletzung nicht mehr steuergeheimnisrelevant ist, nach § 355 StGB dann durch die Verwirklichung des ergänzenden Tatbestandsmerkmals zu einer strafbaren Verletzung des Steuergeheimnisses führt (s. Rz. 65).
Auch der Schutzbereich des § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c AO ist nach seiner präzisierenden Ausweitung durch das Gesetz zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom Gesetzgeber in § 355 StGB nicht entsprechend nachvollzogen worden. Vielmehr hat § 355 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StBG weiterhin seine alte Fassung. Dies führt zu einer (nun nur noch strafrechtlich bestehenden) Regelungslücke (vgl. Rz. 44a, 52b und 54b) und damit zu einem insoweit unzureichenden Schutz in einigen Fällen befugter Offenbarung beim Offenbarungsempfänger. § 30 Abs. 11 AO begründet seinerseits keinen eigenständigen strafrechtlichen Schutz (vgl. Rz. 145f.).
Disziplinarisch kann die Verletzung des Steuergeheimnisses bei Beamten geahndet werden nach näherer Maßgabe des Bundesdisziplinargesetzes oder der entsprechenden Regelungen der Länder. Eine Ahndung ist auch bei fahrlässiger Begehung möglich. Je nach Schwere des einzelnen Falles kommen gem. §§ 6 ff. BundesdisziplinarG Verweis, Geldbuße, Kürzung der Bezüge oder Kürzung oder Wegfall des Ruhegehalts, Beförderungssperre, Zurückstufung oder sogar die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht. Für Angestellte, auf die die Disziplinarordnungen für Beamte nicht unmittelbar anzuwenden sind, ergibt sich die Regelung aus dem Bundesangestellten-Tarifrecht. Für Richter gilt das Bundesdisziplinargesetz entsprechend; ehrenamtliche Richter an den FG verpflichten sich im Eid besonders auf die Wahrung des Steuergeheimnisses und sind bei dessen Verletzung von ihrem Amt zu entbinden.
Zivilrechtlich ist die Anstellungskörperschaft des Amtsträgers bzw. der gleichgestellten Person, die das Steuergeheimnis fahrlässig oder vorsätzlich verletzt hat dem Verletzten nach Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Als weitere Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche kommen, wenn der schadensverursachende Beschäftigte nicht in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes seine ihm gegenüber dem Dritten obliegende Amtspflicht verletzt hat, etwa bei einer Schutzgutverletzung durch herangezogene Privatpersonen, auch §§ 823 Abs. 2, 831 BGB oder wenn die Offenbarung auf Veranlassung des Vorgesetzten (s. auch Rz. 148) erfolgt ist, §§ 823 Abs. 2, 31, 89 BGB jeweils i. V. m. § 30 AO in Betracht, da § 30 AO Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB ist. Daneben kann sich ein Anspruch des Verletzten auf Schadensersatz für materielle und immaterielle Schäden aus Art. 82 DSGVO ergeben. Eine persönliche Außenhaftung des Amtsträgers kommt nur dann in Betracht, wenn er das Steuergeheimnis nicht bei seiner Amtstätigkeit, sondern als Privatperson verletzt. U. U. kann die in Anspruch genommene Körperschaft den Bediensteten in Regress nehmen.
Rz. 147a
In einem noch laufenden Verfahren kann ein Interesse bestehen, die Berücksichtigung der möglicherweise ohne Rechtsgrundlage mitgeteilten Daten bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt zu lassen. Hier kann die betroffene Person im Einzelfall ggf. ein steuerrechtliches Verwertungsverbot für unter Verletzung des Steuergeheimnisses offenbarte geschützte Daten geltend machen.
Ob sich für unter Verletzung des Steuergeheimnisses erworbene strafrechtlich relevante Daten auch strafrechtlich ein Verwertungsverbot ergeben kann (Rz. 120b), wird im Einzelfall von der zuständigen ordentlichen Gerichtsbarkeit zu klären sein. Zwar könnte dies Ausfluss des Schutzbereichs des § 355 StGB sein. Dies insbesondere deshalb, weil sich Beweismittelverbote im Strafprozess etwa auch aus Beweiserhebungsverboten ergeben können, wenn gegen ein Beweiserhebungsverbot ver...