1 Allgemeines

 

Rz. 1

Vorgängerbestimmung des § 300 AO war § 354 RAO.[1] Die entsprechende Norm für das Vollstreckungsrecht nach der ZPO ist § 817a ZPO, der lediglich leicht abweichend formuliert ist.[2] Ergänzende Ausführungen zum Mindestgebot finden sich in Abschn. 54 Abs. 3 VollzA[3]; für die Verwertung von Kostbarkeiten s. auch Abschn. 38 VollstrA.[4] Inhaltlich trifft § 300 AO Regelungen zum Mindestgebot, also dem Gebot, das bei der Versteigerung mindestens abgegeben werden muss. Die Vorschrift soll die Verschleuderung von Vermögenswerten verhindern und dient somit dem Schutz des Vollstreckungsschuldners.[5] In § 300 Abs. 3 AO werden Sonderregelungen für das Mindestgebot bei Gold- und Silbersachen getroffen.

[1] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 300 AO Rz. 1.
[2] Herget, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 817a ZPO Rz. 1ff.
[3] BStBl I 1980, 194.
[4] BStBl I 1980, 112.
[5] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 300 AO Rz. 2ff.

2 Definition des Mindestgebots (§ 300 Abs. 1 AO)

 

Rz. 2

§ 300 Abs. 1 AO trifft eine Legaldefinition für das Mindestgebot. Das Mindestgebot muss demnach mindestens die Hälfte des gewöhnlichen Verkaufswerts erreichen. Der Zuschlag darf nur dann erteilt werden, wenn dieses Mindestgebot erreicht ist. Der gewöhnliche Verkaufswert ist dabei der im freien Verkehr am Ort für Sachen gleicher Art und Güte durchschnittlich erzielbare Preis.[1] Dabei ist dieser Wert von der Vollstreckungsbehörde im Weg der sachgerechten Schätzung zu ermitteln.[2] Nur in besonders gelagerten Fällen ist ein Sachverständiger zur Ermittlung des Werts hinzuzuziehen. Zu denken ist an die Zuziehung von Sachverständigen insbesondere bei der Verwertung von Kunstwerken und Kostbarkeiten sowie Sachen aus Gold oder Silber.[3]

 

Rz. 3

Das Mindestgebot und der gewöhnliche Verkaufswert sollen beim Ausbieten bekannt gegeben werden. Hierdurch sollen Interessenten in die Lage versetzt werden, sich über die Gebote zu informieren, die in Betracht kommen.[4] Es handelt sich hierbei um eine Soll-Bestimmung, sodass ein Unterlassen nicht zu einer Unwirksamkeit der Versteigerung führen kann. Ein Unterlassen der Bekanntgabe kann aber im Einzelfall Schadensersatzansprüche auslösen.[5]

 

Rz. 4

Lediglich in zwei Fällen kann von der Einhaltung des Mindestgebots abgesehen werden, ohne dass dies Konsequenzen nach sich zöge.[6] Zum einen wird man es als möglich ansehen können, dass alle Beteiligten auf die Anwendung der Schutzbestimmung verzichten.[7] Zum anderen muss es aus dem Sinn und Zweck des Vollstreckungsrechts nach der AO möglich sein, auf die Einhaltung des Mindestgebots zu verzichten, wenn dieses zu einem erheblichen Wertverlust der Sache oder unverhältnismäßigen Aufwendungen führt. Diese Fälle, in denen nach § 298 Abs. 1 AO ein Verzicht auf die Wochenfrist zulässig ist, müssen es auch rechtfertigen, dass auf die Einhaltung des Mindestgebots verzichtet wird.[8]

[2] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 300 AO Rz. 6.
[4] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 300 AO Rz. 9.
[5] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 300 AO Rz. 3.
[6] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 300 AO Rz. 11.
[7] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 300 AO Rz. 11; Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 300 Rz. 2.

3 Folgen des Nichterreichens des Mindestgebots (§ 300 Abs. 2 AO)

 

Rz. 5

Das Verfahren bei einem Nichterreichen des Mindestgebots stellt § 300 Abs. 2 AO dar. Wird das Mindestgebot nicht erreicht, bleibt das Pfandrecht zunächst bestehen.[1] Es kann dann ein neuer Versteigerungsversuch unternommen oder eine anderweitige Verwertung versucht werden. Auch bei dieser neuen Verwertung ist das Mindestgebot zu beachten. Lässt sich das Mindestgebot auf Dauer nicht erzielen, muss die Pfändung nach pflichtgemäßem Ermessen aufgehoben werden.[2]

[1] Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 300 Rz. 3; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 300 AO Rz. 4.
[2] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 300 AO Rz. 4; Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 300 Rz. 3.

4 Gold- und Silbersachen (§ 300 Abs. 3 AO)

 

Rz. 6

§ 300 Abs. 3 AO enthält Sonderbestimmungen für die Versteigerung von Sachen aus Gold und Silber, und zwar auch von solchen, die lediglich überwiegend aus Gold oder Silber bestehen. Sachen aus Platin sind den Gold- und Silbersachen gleichgestellt.[1] Dies gilt aber nicht für sonstige Kostbarkeiten, etwa Edelsteine.[2] Bei der Versteigerung von Gold- und Silbersachen bzw. ebenso beim freihändigen Verkauf nach § 305 AO muss mindestens der Metallwert erzielt werden; zudem muss in einem zweiten Schritt mindestens die Hälfte des gewöhnlichen Verkaufswerts, d. h. des Werts unter Berücksichtigung des Metall- und Verarbeitungswerts, erzielt werden. Weichen diese beiden Werte voneinander ab, ist der höhere Wert maßgebend.[3]

[1] RGBl I 1923, 369, RGBl I 1926, 321; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 300 AO Rz. 5.
[2] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 300 AO Rz. 19.
[3] S. im Einzelnen auch Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 300 AO Rz. 21.

5 Folgen eines Verstoßes

 

Rz. 7

Grundsätzlich hat ein Verstoß gegen die Bestimmung in der Weise, dass das Mindestgebot nicht erreicht wird, zur Folge, dass der Eigentumsübergang nicht erfolgt. Etwas ander...

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