1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Bestimmung des § 317 AO entspricht im Wesentlichen § 367 RAO.[1] Hinzugefügt wurde indes das Erfordernis der vorherigen Anhörung des Vollstreckungsschuldners. Im zivilrechtlichen Zwangsvollstreckungsrecht gibt es in § 844 ZPO eine sehr ähnlich ausgestaltete Norm.[2] Diese eröffnet dem Gericht auf Antrag des Gläubigers die Möglichkeit, anstelle der Überweisung eine andere Art der Verwertung anzuordnen.[3] Der Sinn des § 317 AO ist darin zu sehen, dass die Verwertung von Forderungen nicht unnötig in die Länge gezogen werden soll.

[1] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 317 AO Rz. 1.
[2] Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 317 Rz. 1.
[3] Herget, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 844 ZPO Rz. 1ff.

2 Anordnung der Verwertung in anderer Weise

2.1 Voraussetzungen

 

Rz. 2

Erste Voraussetzung für eine Verwertung in anderer Weise ist, dass die zur Verwertung anstehende Forderung wirksam gepfändet wurde.[1] Darüber hinaus ist eine Anordnung der Verwertung in anderer Weise erforderlich.[2] Sind diese beiden allgemeinen Voraussetzungen erfüllt, kommt nach § 317 S. 1 AO eine andere Art der Verwertung in drei Fällen in Betracht:

  • Die Forderung ist bedingt; dies bedeutet nach § 158 BGB, dass sie von einem künftigen ungewissen Ereignis abhängig ist.[3]
  • Die Forderung ist betagt; dies ist sie, wenn sie noch nicht fällig ist. Noch nicht entstandene, künftige Forderungen stehen den noch nicht fälligen Forderungen gleich.[4]
  • Die Einziehung der Forderung ist aus sonstigen Gründen als schwierig anzusehen. Dies wird man anzunehmen haben, wenn besondere, über das übliche Maß hinausgehende Schwierigkeiten bei der Einziehung bestehen. Hierbei ist auf die Umstände im jeweiligen Einzelfall abzustellen.[5] Nach § 844 Abs. 1 ZPO ist eine besondere Schwierigkeit anzunehmen, wenn die Forderung von einer Gegenleistung abhängig ist.[6] Die Schwierigkeiten können aber auch daraus entstehen, dass der Drittschuldner zahlungsunfähig[7] oder nicht auffindbar ist. Auch eine Einziehung gegen einen Schuldner im Ausland ist regelmäßig als schwierig anzusehen.[8]
 

Rz. 3

Die Anordnung der anderweitigen Verwertung steht im Ermessen der Vollstreckungsbehörde.[9] Reine Zweckmäßigkeitserwägungen der Vollstreckungsbehörde reichen jedoch nicht aus.[10] Dies unterscheidet § 317 AO von § 305 AO, der eine besondere Verwertung von gepfändeten Sachen auch bereits aus Zweckmäßigkeitsgründen ermöglicht. Das Ermessen der Vollstreckungsbehörde ist von einem Gericht nachprüfbar.

[1] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 317 AO Rz. 8.
[2] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 317 AO Rz. 10f.
[3] Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 317 Rz. 2.
[4] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 317 AO Rz. 2.
[5] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 317 AO Rz. 2.
[6] S. im Einzelnen auch Herget, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 844 ZPO Rz. 2.
[7] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 317 AO Rz. 4.
[8] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 317 AO Rz. 2; Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 317 Rz. 2.
[9] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 317 AO Rz. 11.
[10] Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 317 Rz. 1.

2.2 Rechtscharakter und Rechtsschutz

 

Rz. 4

Die Anordnung der anderweitigen Verwertung ist ein eigenständiger Verwaltungsakt.[1] Für dessen Wirkung wird auf § 315 Abs. 1 AO verwiesen, der die Wirkung der Einziehungsverfügung darstellt.[2] Da die Anordnung ein eigenständiger Verwaltungsakt ist, ist gegen die Anordnung der Einspruch gem. §§ 347ff. AO eröffnet.[3] Einstweiliger Rechtsschutz erfolgt durch die Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO bzw. § 69 FGO.[4]

[1] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 317 AO Rz. 11.
[3] Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 317 Rz. 4; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 317 AO Rz. 5.
[4] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 317 AO Rz. 5.

2.3 Arten der anderweitigen Verwertung

 

Rz. 5

Eine anderweitige Verwertung kommt in Betracht durch eine Versteigerung durch den Vollziehungsbeamten[1] oder Dritte[2] oder den freihändigen Verkauf.[3] Möglich ist aber auch eine Aufhebung der Pfändung gegen eine vom Vollstreckungsschuldner, dem Drittschuldner oder einer anderen Person getätigte Zahlung.[4]

[4] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 317 AO Rz. 6; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 317 AO Rz. 6.

3 Anhörung des Vollstreckungsschuldners

 

Rz. 6

Nach § 317 S. 2 AO ist der Vollstreckungsschuldner grundsätzlich vor der Verwertung in anderer Weise zu hören.[1] Eine Ausnahme hiervon besteht nur in den Fällen, in denen die für den Erlass der anderweitigen Verwertung erforderliche Anordnung außerhalb des Geltungsbereichs der AO erfolgen muss oder eine öffentliche Bekanntmachung erforderlich ist. Wird die Vollstreckungsbehörde gleichwohl ohne Anhörung tätig und liegt keiner der genannten Ausnahmentatbestände vor, ist die Anordnung der anderweitigen Verwertung rechtswidrig. Der Rechtsfehler wird jedoch nicht als so schwerwiegend angesehen, dass die Anordnung etwa nichtig wäre. Stattdessen kann die Anhörung nachgeholt werden.[2]

[1] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 317 AO Rz. 13ff.
[2] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 317 AO Rz. 14.

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