Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
Rz. 8
Die Haftung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift auf folgende Fälle der Amts- oder Dienstpflichtverletzung des Amtsträgers beschränkt:
- Eine Steuer oder steuerliche Nebenleistung wird nicht, zu niedrig oder zu spät festgesetzt, erhoben oder beigetrieben.
- Eine Steuererstattung oder Steuervergütung wird durch unrichtige Festsetzung oder Auszahlung zu Unrecht gewährt.
- Eine Besteuerungsgrundlage oder eine Beteiligung an dieser oder an einer Steuer wird nicht, zu niedrig oder zu spät festgesetzt.
Rz. 9
Die Aufzählung der für eine Haftung in Betracht kommenden Ansprüche in § 32 Nr. 1 u. 2 AO umfasst mit Ausnahme des Haftungsanspruchs alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und ergänzt diese unter Nr. 3 um die fehlerhaften Festsetzungen von Besteuerungsgrundlagen und Beteiligungen. Die Haftungsansprüche sind offensichtlich vergessen worden. Die Vorschrift ist daher auf die entsprechenden Fälle der steuerlichen Haftungsinanspruchnahme analog anzuwenden. Setzt der Amtsträger einen solchen Haftungsanspruch nicht, nicht in ausreichender Höhe oder zu spät fest oder erhebt er einen Haftungsbetrag nicht, zu niedrig oder zu spät, so entspricht dies den Fällen der Nr. 1 u. 2, sodass die Lücke durch Analogie zu schließen ist.
Rz. 10
Aus der Aufzählung der Fälle für die Haftungsbeschränkung in § 32 AO ergibt sich, dass diese in solchen Fällen eingreift, in denen die Pflichtverletzung zulasten des Fiskus gegangen ist. Setzt der Amtsträger die Steuer zu hoch fest oder treibt er eine zu hohe Steuer bei, so wird regelmäßig eine Haftung nach den Beamtengesetzen nicht in Betracht kommen. Denkbar wäre allerdings, dass ein Amtsträger in Regress genommen wird, nachdem ein dinglicher Arrest wegen einer zu hohen Steuer aufgehoben worden ist und in entsprechender Anwendung des § 945 ZPO über § 324 AO zu einer Schadensersatzpflicht geführt hat. In diesem Fall kann § 32 AO den Amtsträger nicht schützen.
Rz. 11
Unbeachtlich für die zu beschränkende Haftung ist es, auf welchem Weg es zu einer Nichtfestsetzung, zu niedrigen Festsetzung, zu einer zu späten Festsetzung, Erhebung oder Beitreibung gekommen ist. Das kann in jedem Verfahrensstadium passiert sein, also z. B. durch Fehler bei den Ermittlungen, Nichtberücksichtigung einer Besteuerungsgrundlage, durch zu niedrige Bewertung, auch durch eine unzutreffende Änderung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO oder durch eine unzutreffende Einspruchsentscheidung. Im Erhebungsverfahren kann z. B. durch eine ungerechtfertigte Stundung, einen unberechtigten Billigkeitserlass, eine Unterlassung der Beitreibung oder die Nichtfestsetzung von Zinsen an sich eine Haftung in Betracht kommen, die von der Haftungsbeschränkung erfasst wird.