Rz. 61

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.[1] Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Insolvenzschuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen auch auf den vorläufigen Insolvenzverwalter[2] über. Kein Vermögensverwalter ist dagegen der nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO bestellte "schwache" vorläufige Insolvenzverwalter ohne allgemeine Verfügungsbefugnis.[3] Die Stellung des starken vorläufigen Insolvenzverwalters unterscheidet sich von der des endgültigen Insolvenzverwalters im Wesentlichen nur dadurch, dass er das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten, aber nicht zu verwerten und zu verteilen hat, sodass ihn, soweit seine Verwaltung reicht, grds. die gleichen steuerlichen Pflichten wie den endgültigen Insolvenzverwalter treffen.[4]

Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht wird von dem Zeitpunkt seiner Bestellung an vom Insolvenzverwalter ausgeübt. Da alle Steuerarten in engem Zusammenhang mit dem vom Insolvenzverwalter verwalteten Vermögen stehen, hat dieser grundsätzlich auch die gesamten steuerlichen Pflichten zu erfüllen, die bisher dem Gemeinschuldner oblagen.[5] Dazu gehören die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, die Auskunfts-, Vorlage- und Anzeigepflichten, die Steuererklärungspflichten, die Pflichten zur Einbehaltung und Abführung der Abzugsteuern sowie zur Empfangnahme von Verwaltungsakten. Die Verpflichtungen des Insolvenzverwalters bestehen nicht nur für die Zeit der Verwaltung, sondern auch für die Zeit vorher, soweit sie noch nicht erfüllt sind. Dem Insolvenzschuldner ist nämlich die Erfüllung dieser Pflichten nicht mehr möglich.[6] Auch die Pflicht zur Berichtigung einer vom Gemeinschuldner vor Insolvenzeröffnung abgegebenen Erklärung nach § 153 AO hat der Insolvenzverwalter.[7] Es ist allerdings zu beachten, dass § 34 AO nur die steuerlichen Pflichten betreffen kann. Soweit sich die Pflichten des Insolvenzverwalters – z. B. zur Erfüllung steuerlicher Insolvenzforderungen – allein nach der InsO richten, werden die steuerrechtlichen Normen verdrängt. Bei Pflichtverletzungen kommt dann § 60 InsO zur Anwendung.[8] Der Insolvenzverwalter, an den ein Steuerbescheid als Inhaltsadressat bekannt gegeben wird, muss nicht zwingend unter Angabe seiner Funktion benannt werden. Es ist ausreichend, wenn sich seine Funktion nach dem objektiven Erklärungsgehalt des Bescheids aus Sicht des Empfängers im Wege der Auslegung zweifelsfrei bestimmen lässt.[9]

 

Rz. 62

Dem Insolvenzverwalter obliegt auch die Erfüllung der Zahlungspflichten. Er hat die Masseverbindlichkeiten[10] zu bezahlen. Dazu gehören u. a. auch die Steuerverbindlichkeiten z. B. aus Handlungen (Umsätzen) des Insolvenzverwalters.[11] Auch der starke vorläufige Insolvenzverwalter darf diese als künftige Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 2 InsO erfüllen, muss dies vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aber nicht zwingend tun.[12] Dennoch sollte er, da ihm dies erlaubt ist, diese Verbindlichkeit erfüllen, um sich nicht u. U. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eventuellen Schadenersatzansprüchen des FA ausgesetzt zu sehen.[13]

Vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Steueransprüche sind dagegen vom vorläufigen Insolvenzverwalter als Insolvenzforderungen nicht zu begleichen. Die Berichtigung von Insolvenzforderungen ist Aufgabe des endgültigen Insolvenzverwalters, der die eventuell erfolgte Zahlung derartiger Insolvenzschulden durch den vorläufigen Insolvenzverwalter im späteren Insolvenzverfahren nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechten könnte.[14]

Insolvenzforderungen, die zur Insolvenztabelle angemeldet und nicht bestritten worden sind, werden zur Verteilung gem. §§ 187ff. InsO herangezogen.

 

Rz. 63

Ist der Insolvenzschuldner eine natürliche Person und ist seine persönliche Mitwirkung bei der Erfüllung einer steuerlichen Pflicht erforderlich, so erscheint es als zweifelhaft, ob dem Insolvenzverwalter diese steuerliche Pflicht insoweit überhaupt obliegt.[15] So sind z. B. bei der Abgabe der ESt-Erklärung persönliche Wahl- und Antragsrechte (etwa Veranlagungsform, außergewöhnliche Belastungen) auszuüben. Soweit die Auffassung vertreten wird, dass der Insolvenzverwalter solche Rechte nicht ausüben kann, müssen jedoch diese Teile der Steuererklärung in den Hintergrund treten, zumal das FA auch ohne entsprechende Erklärungen die Steuern ermitteln kann. Die Steuererklärungspflichten obliegen also auch bei der ESt dem Insolvenzverwalter. Allerdings ist der Insolvenzschuldner dabei verpflichtet, den Insolvenzverwalter bei der Erstellung der Steuererklärung zu unterstützen.[16]

Die Pflichten des Insolvenzverwalters können sich allerdings nur auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen[17] beziehen. Das vom Insolvenzschuldner nach Insolvenzeröffnung während des Insolvenzverfahrens erworbene Vermögen ...

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