Dr. Zacharias-Alexis Schneider
2.1 Allgemeines
Rz. 6
Nach § 346 Abs. 1 AO dürfen entstandene Vollstreckungskosten nicht erhoben werden, wenn diese bei richtiger Behandlung der Sache durch die Vollstreckungsbehörde nicht entstanden wären. Dieser Bestimmung liegt der Gedanke zugrunde, dass die durch die Vollstreckungsbehörde veranlasste unrichtige Sachbehandlung nicht zulasten des Vollstreckungsschuldners gehen darf. Dies ist ein allgemeiner Grundsatz des Kostenverfahrensrechts, wie er auch in anderen kostenrechtlichen Bestimmungen, z. B. §§ 21 GKG, 16 Abs. 1 KostO oder 7 GvKostG, kodifiziert ist. Demgemäß gilt der Grundsatz nicht nur für die Vollstreckungskosten, sondern die Bestimmung des § 346 Abs. 1 AO ist auch für die sonstigen von der Finanzbehörde zu erhebenden Kosten entsprechend anzuwenden.
Rz. 7
Die unrichtige Sachbehandlung durch die Vollstreckungsbehörde wirkt sich auf das gesamte Kostenerhebungsverfahren aus. Stellt sich zu irgendeinem Zeitpunkt im Verfahren zur Geltendmachung des Kostenanspruchs die "unrichtige Sachbehandlung" heraus, so darf das Verfahren nicht fortgeführt werden. Ist der Kostenanspruch in diesem Zeitpunkt noch nicht festgesetzt, so muss die Kostenfestsetzung unterbleiben. Liegt diese bereits vor, ist aber der Kostenanspruch noch nicht fällig, so darf die Kostenerhebung i. e. S. nicht durchgeführt werden. Ist im Zeitpunkt des Erkennens der "unrichtigen Sachbehandlung" der Kostenanspruch festgesetzt und fällig, so hat nunmehr die Vollstreckung zu unterbleiben. Ist der Kostenanspruch zu diesem Zeitpunkt bereits freiwillig erfüllt oder im Vollstreckungsweg beigetrieben worden, so besteht für den Vollstreckungsschuldner ein Anspruch auf Erstattung der Vollstreckungskosten.
Rz. 8
Die Regelung des § 346 Abs. 1 AO ist für die Finanzbehörde zwingend. Der Vollstreckungsschuldner hat also einen Rechtsanspruch auf
- Nichterhebung der Kosten;
- Berichtigung, Rücknahme oder Widerruf der unrichtigen Kostenfestsetzung;
- Erstattung, soweit die Kosten bereits eingezogen oder vollstreckt worden sind.
2.2 Unrichtige Sachbehandlung
2.2.1 Behandlung der Sache
Rz. 9
Grundlage der Regelung des § 346 Abs. 1 AO ist die kostenpflichtige Tätigkeit der Vollstreckungsbehörde im Vollstreckungsverfahren. Diese Vollstreckungstätigkeit muss "unrichtig" gewesen sein. Die "unrichtige Sachbehandlung" im Bereich des Festsetzungs- und Erhebungsverfahrens hinsichtlich des vollstreckten Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis kann den Rechtsanspruch auf Nichterhebung der Vollstreckungskosten nach § 346 Abs. 1 AO nicht begründen. Solche Nachteile, können allein über einen Schadenersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung ausgeglichen werden.
Rz. 10
Behandlung der Sache ist die gesamte Vollstreckungstätigkeit, von der Vorbereitung der kostenpflichtigen Maßnahme bis zur Beendigung des Vollstreckungsverfahrens durch Befriedigung des Anspruchs des Vollstreckungsgläubigers.
2.2.2 Unrichtigkeit
Rz. 11
Unrichtigkeit der Sachbehandlung i. d. S. ist nicht gleichbedeutend mit der Rechtswidrigkeit der Vollstreckungsmaßnahme. Es muss vielmehr ein offensichtlicher Verstoß gegen eindeutige Normen vorliegen. Von einer unrichtigen Sachbehandlung ist dann auszugehen, wenn sich die Vollstreckungsmaßnahme unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls im Zeitpunkt ihrer Vornahme dadurch als offensichtlich fehlerhaft erweist, dass die rechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen oder dass die Grenzen des Ermessens nicht beachtet worden sind. Ein Irrtum in der Beurteilung des Sachverhalts oder der Rechtsfragen, eine fehlerhafte Würdigung oder ein Versehen genügen insoweit nicht. Nicht ausreichend ist auch die bloße Unzweckmäßigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme oder die spätere Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme im Rechtsbehelfsverfahren oder im Rahmen eines später gewährten Vollstreckungsaufschubs nach § 258 AO. Es müssen besondere Umstände vorliegen, die die Offensichtlichkeit des Normverstoßes indizieren.
2.3 Kausalität der unrichtigen Sachbehandlung
Rz. 12
Gemäß § 346 Abs. 1 AO dürfen nur die Kosten nicht erhoben werden, die bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären. Die Unrichtigkeit der Sachbehandlung muss ursächlich für die Kostenpflicht gewesen sein. Es muss also stets geprüft ...