3.1 Abgabe i. S. v. § 347 AO
Rz. 7
Das finanzbehördliche Einspruchsverfahren ist nach § 347 Abs. 1 Nr. 1 AO zulässig in Abgabenangelegenheiten, auf die die AO Anwendung findet.
Rz. 8
Das Gesetz verwendet hier als Anknüpfungspunkt den Begriff der "Abgaben". Dies sind alle Geldleistungen, die eine öffentlich-rechtliche Körperschaft zur Erzielung von Einkünften kraft öffentlichen Rechts in Anspruch nimmt.
Rz. 9
Der Begriff der Abgabe schließt nach § 347 Abs. 2 S. 1 AO die Abgabenvergütung ein. Dies ist eine Geldleistung, die eine öffentlich-rechtliche Körperschaft kraft öffentlichen Rechts an jemanden erbringt, der zumeist die Abgabe getragen hat.
Rz. 10
Insoweit sind auch Abgabenerstattungen einzubeziehen, die als Umkehrung des Abgabenanspruchs anzusehen sind, weil eine Abgabe unrechtmäßig oder unzutreffend erhoben worden und demzufolge von der öffentlich-rechtlichen Körperschaft wieder zu erstatten ist.
Rz. 11
Das Einspruchsverfahren ist nach § 347 Abs. 1 Nr. 1 AO nur statthaft, wenn die Angelegenheit eine Abgabe im Anwendungsbereich der AO betrifft. Dieser erstreckt sich nach § 1 Abs. 1 AO auf
- Steuern, hierzu zählen gem. § 3 Abs. 3 AO auch Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Art. 4 Nr. 10, 11 ZK, Abschöpfungen und Steuervergütungen sowie Steuererstattungen, die durch
- Bundesrecht oder Recht der EG geregelt sind, soweit sie durch
- Bundes- oder Landesfinanzbehörden i. S. v. § 6 AO verwaltet werden.
Rz. 12
Der Einspruch nach § 347 AO ist gem. § 1 Abs. 2 AO i. V. m. § 3 Abs. 2 AO nicht für Verwaltungakte bei der GrSt und GewSt durch die Gemeinden gegeben, sofern nicht durch landesrechtliche Rechtsnormen eine Anwendung der §§ 347ff. AO bestimmt ist.
Rz. 13
Nach § 1 Abs. 3 AO ist die AO anzuwenden auf steuerliche Nebenleistungen i. S. v. § 3 Abs. 3 AO, die auf Steuern i. S. v. § 1 Abs. 1 AO entfallen. Dies gilt auch für steuerliche Nebenansprüche, z. B. Aufwendungsersatzansprüche, die aus der Inanspruchnahme im Verwaltungsverfahren erwachsen.
Rz. 14
Die Vorschriften der AO können auch durch besondere Rechtsnormen des Landesrechts Anwendung finden für Steuern, die durch Landesrecht geregelt sind und durch Landesfinanzbehörden oder sonstige Landesbehörden (Kreise oder Gemeinden) verwaltet werden.
3.2 Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften durch die Finanzbehörde
Rz. 15
§ 347 Abs. 2 AO ergibt sich eine Abgabenangelegenheit aus der Tätigkeit der Finanzbehörden, dies sind die in § 6 AO aufgeführten Bundesfinanzbehörden und Landesfinanzbehörden.
Rz. 16
Nach § 347 Abs. 2 AO ist eine Abgabenangelegenheit grundsätzlich jede mit der Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften durch die Finanzbehörde zusammenhängende Angelegenheit. Dies sind Rechtsnormen, die die Abgaben oder das Verfahren im Zusammenhang mit Abgaben regeln, also bezogen auf den Begriff der Abgabe i. S. v. § 347 AO steuerrechtliche Rechtsnormen bzw. Steuergesetze.
Rz. 17
Nach § 347 Abs. 2 S. 1 AO sind Abgabenangelegenheiten alle mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten. Die Verwaltung der Abgaben erfolgt in Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften. Der Begriff "Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften" umfasst also den Begriff "Verwaltung der Abgaben". Durch diese weitere Formulierung wird klargestellt, dass nicht nur die unmittelbar eine Abgabe regelnden Maßnahmen als Abgabenangelegenheiten anzusehen sind, sondern auch alle getroffenen oder beantragten Maßnahmen, die auf abgabenrechtlichen Vorschriften beruhen.
Rz. 18
Die Zulässigkeit des finanzbehördlichen Einspruchsverfahrens ist gegeben, wenn ein i. S. d. § 347 Abs. 1 Nr. 1 AO abgabenrechtliches Rechtsverhältnis, d. h. ein Steuerrechtsverhältnis, durch Verwaltungsakt geregelt worden ist oder geregelt werden soll.
Eine lediglich abgabenrechtliche, also steuerrechtliche Vorfrage kann die Zulässigkeit des finanzbehördlichen Einspruchsverfahrens nicht begründen. Die Reflexwirkung abgabenrechtlicher Vorschriften auf ein privatrechtliches Rechtsverhältnis zwischen zwei Rechtssubjekten begründet in diesem Fall keine Abgabenangelegenheit.
Umgekehrt hindert eine öffentlich-rechtliche oder zivilrechtliche Vorfrage nicht die Annahme einer Abgabenangelegenheit. Die Zuordnung verbietet nicht, dass die Finanzbehörde über rechtswegfremde, also zivilrechtliche oder allgemein verwaltungsrechtliche, Vorfragen entscheidet, soweit nicht eine rechtliche Bindung besteht. Die Klärung z. B. zivilrechtlicher Rechtsverhältnisse kommt jedoch nur im Rahmen der Entscheidung über ein konkretes Steuerrechtsverhältnis in Betracht. Außerhalb eines derartigen Vorfragenzusammenh...