8.1 Verwaltungsakt
8.1.1 Grundlage
Rz. 47
Nach § 347 Abs. 1 S. 1 AO ist der Einspruch nur gegen solche Maßnahmen im Verwaltungsverfahren in den in § 347 AO genannten Angelegenheiten statthaft, die die Rechtsqualität eines Verwaltungsakts haben. Ein Verwaltungsakt ist nach § 118 AO eine hoheitliche Maßnahme mit einem auf einer behördlichen Willensentscheidung beruhenden Regelungscharakter.
Fehlt einer Maßnahme dieser Regelungscharakter, so ist der Einspruch nicht statthaft und als unzulässig zu verwerfen. Dies gilt selbst dann, wenn die Finanzbehörde eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung erteilt haben sollte; dies eröffnet nicht einen rechtlich nicht vorgesehenen Rechtsbehelf.
Rz. 47a
Die Statthaftigkeit des Einspruchs darf nicht durch Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen sein.
8.1.2 Regelungscharakter
Rz. 48
Verwaltungsakte i. d. S. sind Maßnahmen der Finanzbehörde im Verwaltungsverfahren mit einem auf einer Willensentscheidung beruhenden Regelungscharakter.
Nach der Rspr. sind Verwaltungsakte z. B. auch:
- die Anrechnungsverfügung bei der Abrechnung eines Steuerbescheids nach § 36 Abs. 2 EStG, § 31 KStG, § 20 Abs. 1 GewStG;
- die Arbeitgeberbescheinigung im Kindergeldverfahren;
- der Aufteilungsbescheid nach § 279 AO;
- der Verlustfeststellungsbescheid nach § 10d Abs. 3 EStG;
- die Feststellung einer unrechtmäßigen Ausstellung einer Warenverkehrsbescheinigung;
- der Antrag auf Zulassung des Beitritts zur Zwangsversteigerung nach § 322 Abs. 3 S. 2 AO, wenn darin bestätigt wird, dass die Voraussetzungen der Vollstreckung vorliegen;
- die Lohnsteuer-Anrufungsauskunft nach § 42e EStG und nicht nur eine nicht anfechtbare Wissenserklärung. Gegen die Erteilung einer "unrichtigen" Auskunft ist deshalb der Einspruch gegeben. Er ist in jedem Fall zulässig, wenn die Auskunftserteilung abgelehnt wird, da der Stpfl. einen Rechtsanspruch auf Erteilung besitzt;
- die Aufhebung (Rücknahme, Widerruf) einer Anrufungsauskunft;
- die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO;
- die Erteilung des Leistungsgebots nach § 254 Abs. 1 S. 1 AO;
- die Aufforderung zur Abgabe der Anlage EÜR zur ESt-Erklärung nach § 60 Abs. 4 EStDV;
- die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme;
- die nach § 77 EStG zu treffende Kostenentscheidung der Familienkasse, die aber einen Teil der Einspruchsentscheidung darstellt und deshalb nach § 348 Nr. 1 AO nicht noch einmal isoliert mit einem Einspruch anfechtbar ist.
Rz. 48a
Verwaltungsakte, die i. d. S. eine Regelung treffen, sind stets die Ablehnung einer solchen Maßnahme oder auch der Erbringung einer sonstigen Leistung, die selbst nur im Wege der Leistungsklage geltend zu machen wäre.
Rz. 49
Dieser für einen Verwaltungsakt erforderliche Regelungscharakter fehlt:
- bei schlicht hoheitlichem Handeln in Form von Wissenserklärungen, wie z. B. Hinweisen, Erinnerungen an bestehende steuerliche Pflichten, Auskünften oder Empfehlungen. Auch die Berichtigung einer Wissenserklärung ist kein Verwaltungsakt;
bei der schlichten Mitteilung der Rechtsauffassung oder den einzelnen Feststellungen von unselbstständigen Besteuerungsgrundlagen innerhalb eines Steuerbescheids.
Die Finanzbehörde kann eine solche Mitteilung auch nicht nachträglich zur "einspruchsfähigen Entscheidung" erklären. Es ist aber zu prüfen, ob durch das schlicht hoheitliche Handeln nicht der Rechtsschein eines Verwaltungsakts erzeugt worden und deshalb die Zulässigkeit des Einspruchs gegeben ist.
- reinen Realakten, also Durchführungshandlungen, die einen Verwaltungsakt durch tatsächliches Tätigwerden verwirklichen, z. B. die Gewaltanwendung des Vollziehungsbeamten nach § 287 Abs. 3 AO bei einer Vollstreckungshandlung;
- der bloßen Ankündigung von Verwaltungsakten.
Rz. 50
Die Verwaltungsaktqualität ist nach der Rspr. nicht gegeben bei:
- dem Antrag der Finanzbehörde auf Einleitung des Gewerbeuntersagungsverfahrens;
- dem Antrag auf Gesamtvollstreckung und Insolvenzeröffnung;
- dem Antrag auf Ersatzzwangshaft;
- der Stellungnahme zu einer Dienstaufsichtsbeschwerde;
- der Aufrechnungserklärung;
- der Aufforderung zur Benennung des Zahlungsempfängers nach § 160 AO;
- der Bescheinigung der Gemeinnützigkeit;
- der Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand;
- dem Prüfungsbericht über die Außenprüfung;
- der schriftlichen Aufklärungsanordnung gegenüber dem Stpfl. zur Ermittlung steuerbegünstigender Umstände während der Außenprüfung;
- der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO, dass die Außenprüfung nicht zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt hat;
- der Mitteilung an einen Verein über die Spendenberechtigung;
- das Beitreibungsersuchen an eine Behörde in einem EG-Mitgliedstaat
- die Zustimmung zur Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens nach Zuständigkeitswechsel nach § 26 Abs. 2 AO;
- Zahlungsaufforderungen, Ankündigung der Vollstreckung und fruchtlose Pfändungen.