Rz. 21
"Einspruchsbevollmächtigter" i. S. d. § 352 Abs. 2 AO ist zunächst der "gemeinsame Empfangsbevollmächtigte" i. S. v. § 183 Abs. 1 S. 1 AO oder § 6 Abs. 1 S. 1 VO zu § 180 Abs. 2 AO. Hierdurch werden diese zur Vereinfachung der Bekanntgabe von einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheiden gedachten Regelungen zugleich zur Vereinfachung des Einspruchsverfahrens genutzt.
Die Finanzbehörde kann aufgrund der Empfangsvollmacht Feststellungsbescheide gem. § 183 Abs. 3 S. 1 AO an den Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für die Feststellungsbeteiligten bekannt geben. Diese Rechtswirkung tritt nur dann nicht ein, wenn der Empfangsbevollmächtigte oder der jeweilige Feststellungsbeteiligte die Vollmacht widerruft. Bis zum Zugang des Widerrufs bei der Finanzbehörde ist die Empfangsvollmacht rechtswirksam. Der Widerruf schon eines einzelnen Feststellungsbeteiligten verhindert die Einspruchsbefugnis, da kein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter mehr vorhanden ist.
Rz. 22
Die Einspruchsbefugnis des Empfangsbevollmächtigten nach § 352 Abs. 2 AO besteht nur, wenn diesem eine Empfangsvollmacht erteilt und dies der Finanzbehörde mitgeteilt worden ist. Die Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten erfolgt durch ausdrückliche, aber nicht formgebundene Vollmacht jedes einzelnen Feststellungsbeteiligten. Die Einspruchsbefugnis ergibt sich nicht aus der Abgabe der Feststellungserklärung. Die Steuererklärungspflicht bewirkt keine Erweiterung der Rechtsbehelfsbefugnis. Zur Erteilung einer "gemeinsamen Empfangsvollmacht" i. d. S. sind die Feststellungsbeteiligten nicht verpflichtet. Fehlt die Bestellung, so ergibt sich für die Finanzbehörde die Möglichkeit der Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten nach § 183 Abs. 1 S. 2, 3 AO.
Rz. 22a
Die Empfangsvollmacht muss von allen Feststellungsbeteiligten gemeinsam für einen Empfangsbevollmächtigten erfolgen. Streitig ist die Folge, wenn von mehreren Feststellungsbeteiligten nur einer oder einige Feststellungsbeteiligte einen Empfangsbevollmächtigten bestellt haben. In der Kommentarliteratur wird für diesen Fall überwiegend die Auffassung vertreten, die Rechtsfolge des § 352 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AO trete nicht ein, die Einspruchsbefugnis richte sich nach § 352 Abs. 1 Nr. 2 AO. Die Finanzverwaltung geht dagegen davon aus, dass der Empfangsbevollmächtigte nur die Beteiligten vertritt, die ihn bestellt haben und sich seine Einspruchsbefugnis nur auf diese Beteiligten erstreckt.
Der Austritt von Feststellungsbeteiligten aus der Personenvereinigung berührt die Rechtsstellung des "gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten" nicht. Bei Eintritt eines Feststellungsbeteiligten muss dieser eine Empfangsvollmacht für den "gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten" erteilen.
Rz. 22b
Ob die Einspruchsbefugnis des Empfangsbevollmächtigten bestehen bleibt, wenn der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen der Personenvereinigung und dem Feststellungsbeteiligten ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen, ist umstritten. Während die überwiegende Anzahl der Stimmen in der Literatur das unter Verweis auf § 183 Abs. 2 AO verneint, geht die Finanzverwaltung – u. E. zutreffend – wegen § 183 Abs. 3 AO davon aus, dass die Einspruchsbefugnis bis zum ausdrücklichen Widerruf der Empfangsvollmacht bestehen bleibt.
Rz. 23
Die Finanzbehörde hat, neben der ordnungsgemäßen Belehrung, die Einspruchsbefugnis durch das Bestehen der Empfangsvollmacht im Zeitpunkt der Einspruchseinlegung und für das gesamte Einspruchsverfahren von Amts wegen zu prüfen.