2.3.1 Grundsatz: Nach Erlass des Verwaltungsakts (Abs. 1 S. 1)
Rz. 31
Auf die Einlegung eines Einspruchs kann nach § 354 Abs. 1 S. 1 AO "nach Erlass eines Verwaltungsakts" verzichtet werden. Der Verzicht auf einen Einspruch kann also – mit der Ausnahme des in Abs. 1b geregelten Falls – nicht bereits vor dem Erlass des entsprechenden Verwaltungsakts erklärt werden, sondern ist erst danach wirksam möglich. Denn zum Schutz des Stpfl. soll dieser nur dann auf seinen Rechtsschutz verzichten können, wenn er die aus dem Verwaltungsakt resultierenden Rechtswirkungen zur Kenntnis nehmen und entscheiden konnte, ob er eines weiteren Rechtsschutzes bedarf. Erforderlich für den Verzicht ist daher, dass der Verwaltungsakt dem Stpfl. gegenüber tatsächlich bekannt gegeben worden ist. Die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 AO spielt für den Einspruchsverzicht keine Rolle.
Rz. 32
Da grds. nur "nach Erlass eines Verwaltungsakts" auf den Einspruch verzichtet werden kann, ist der Verzicht auf einen Untätigkeitseinspruch nicht möglich, da dieser nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO gerade voraussetzt, dass der beantragte Verwaltungsakt nicht erlassen worden ist.
Rz. 33
Ein nach Einspruchseinlegung erklärter Verzicht ist nicht mehr möglich. Allerdings kann in diesem Fall nach § 362 AO eine Rücknahme des Einspruchs erfolgen. Ein nach Einspruchseinlegung erklärter Einspruchsverzicht kann aber als Rücknahme des Einspruchs ausgelegt werden, wenn der Einspruchsführer damit deutlich zu verstehen gibt, dass er doch keine Einwendungen gegen den angefochtenen Verwaltungsakt vorbringen möchte und dieser nicht mehr von der Finanzbehörde überprüft werden soll.
Rz. 34
Der Verzicht kann längstens bis zum Ablauf der Einspruchsfrist erklärt werden. Anschließend läuft er wegen des Eintritts der Bestandskraft des Verwaltungsakts ins Leere.
Da der Einspruchsverzicht grds. erst nach Erlass des Verwaltungsakts erklärt werden kann, besteht das Recht zur Einlegung eines Einspruches im Zeitpunkt des Erlasses noch. Der Verwaltungsakt ist daher m. E. mit einer regulären Rechtsbehelfsbelehrung nach § 356 Abs. 1 AO zu versehen, auch wenn die Verzichtserklärung schon absehbar ist. Unterbleibt die Rechtsbehelfsbelehrung, verlängert sich die Einspruchsfrist nach § 356 Abs. 2 AO und entsprechend der Zeitraum für die Abgabe der Verzichtserklärung.
Rz. 35–40 einstweilen frei
2.3.2 Ausnahme: Bei Abgabe einer Steueranmeldung (Abs. 1 S. 2)
Rz. 41
Ausnahmsweise kann der Verzicht nach § 354 Abs. 1 S. 2 AO auch "bei Abgabe einer Steueranmeldung für den Fall ausgesprochen werden, dass die Steuer nicht abweichend von der Steueranmeldung festgesetzt wird".
Rz. 42
Eine Steueranmeldung ist nach § 150 Abs. 1 S. 3 AO eine Steuererklärung, in der der Stpfl. aufgrund gesetzlicher Vorschrift die Steuer selbst zu berechnen hat. Das ist z. B. der Fall nach § 18 Abs. 2 S. 1 UStG bei der USt-Voranmeldung oder nach § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG bei der LSt-Anmeldung. Eine Steueranmeldung steht nach § 168 S. 1 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Eine Festsetzung der Steuer durch Steuerbescheid ist nach § 167 Abs. 1 S. 2 AO nur erforderlich, wenn die Festsetzung zu einer abweichenden Steuer führt oder keine Steueranmeldung abgegeben wird. Kommt es zu einer solchen Steuerfestsetzung durch einen Steuerbescheid, kann der Stpfl. nur nach § 354 Abs. 1 S. 1 AO nach Erlass dieses Verwaltungsakts auf die Einlegung eines Einspruchs verzichten.
Weicht das FA aber nicht von den Angaben des Stpfl. in der Steueranmeldung ab, fehlt es an dem "Erlass eines Verwaltungsakts" in Form eines Steuerbescheids, weshalb § 354 Abs. 1 S. 2 AO ergänzend vorsieht, dass auch bei der Einlegung der Steueranmeldung auf den Einspruch verzichtet werden kann.
Rz. 43
Der Verzicht darf ausschließlich unter der Bedingung erklärt werden, dass die Steuerfestsetzung nicht von der selbst errechneten Steuer abweicht, d. h. dass die Finanzbehörde der Steueranmeldung des Stpfl. folgt. Wenn diese Bedingung fehlt, ist die Verzichtserklärung unwirksam. Nach Bekanntgabe der abweichenden Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid kann der Stpfl. Einspruch einlegen oder aber auch hierauf erneut nach § 354 Abs. 1 S. 1 AO verzichten.
Rz. 44–45 einstweilen frei
2.3.3 Ausnahme: Umsetzung einer Verständigungsvereinbarung oder eines Schiedsspruchs (Abs. 1b)
Rz. 46
Nach § 354 Abs. 1b S. 1 AO kann auf die Einlegung eines Einspruchs bereits vor Erlass des Verwaltungsakts verzichtet werden, soweit durch den Verwaltungsakt eine Verständigungsvereinbarung oder ein Schiedsspruch nach einem Vertrag i. S. des § 2 AO zutreffend umgesetzt wird.
Rz. 47
Der Teilverzicht auf den Einspruch setzt nach § 354 Abs. 1b S. 1 AO voraus, dass durch den betroffenen Verwaltungsakt eine "Verständigungsvereinbarung oder ein Schiedsspruch nach einem Vertrag im Sinne des § 2 AO" zutreffend umgesetzt wird. Eine Verständi...