2.3.1 Einlegungsbehörde und Entscheidungsbehörde
Rz. 52
§ 357 Abs. 2 AO bestimmt die Behörde, bei der der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt einzulegen ist (Einlegungsbehörde). Die Einlegungsbehörde ist nicht immer auch diejenige, die letztlich nach § 367 Abs. 1 AO über den Einspruch entscheidet (Entscheidungsbehörde). So wechselt nach § 367 Abs. 1 S. 2 AO im Falle eines Zuständigkeitswechsels nach Erlass des Verwaltungsakts bzw. nach Antragstellung zwar die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Einspruch, die Einlegungsbehörde bleibt jedoch unverändert.
Rz. 53
Regelmäßige Einlegungsbehörde ist nach § 357 Abs. 2 S. 1 AO immer die Finanzbehörde, die den anzufechtenden Verwaltungsakt erlassen hat oder bei der der Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts gestellt worden ist. Für bestimmte Fälle sehen die S. 2 und 3 neben dieser zusätzliche Einlegungsbehörden vor, bei denen der Einspruch ebenfalls fristwahrend eingelegt werden kann.
Rz. 54
Nur mit der Einlegung des Einspruchs bei der Einlegungsbehörde kann die Einspruchsfrist nach § 355 AO gewahrt und der Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsakts verhindert werden. Eingaben bei anderen Behörden haben dagegen – unabhängig von ihrem Inhalt – grds. keine fristwahrende Wirkung. Es gilt dann die Regelung des § 357 Abs. 2 S. 4 AO, wonach der Einspruch nur dann fristgemäß ist, wenn er an die Einlegungsbehörde weitergeleitet wird und dort innerhalb der Einspruchsfrist zugeht.
2.3.2 Regelmäßige Einlegungsbehörde (Abs. 2 S. 1)
Rz. 55
Nach § 357 Abs. 2 S. 1 AO ist der Einspruch bei der Behörde anzubringen, deren Verwaltungsakt angefochten wird oder bei der ein Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts gestellt worden ist. Letzteres gilt in dem Fall, dass die Finanzbehörde den beantragten Verwaltungsakt nicht erlassen hat und deshalb nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO ein Untätigkeitseinspruch eingelegt werden soll.
Rz. 56
Eine Veränderung der örtlichen Zuständigkeit der Finanzbehörde nach Erlass des Verwaltungsakts bzw. nach Stellung des Antrags auf Erlass eines Verwaltungsakts hat keinen Einfluss auf die Rechtsstellung als Einlegungsbehörde. Wird ein Einspruch bei einem solchen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit entgegen § 357 Abs. 2 S. 1 AO bereits bei der nach § 367 Abs. 1 S. 2 AO zur Entscheidung berufenen anderen Finanzbehörde eingelegt, gilt grds. die Regelung des § 357 Abs. 2 S. 4 AO. Die Entscheidungsbehörde hat den Einspruch der alten Behörde als Einlegungsbehörde zu übermitteln, die ihn dann zur Entscheidung wieder an die Entscheidungsbehörde zurücksenden muss ("Behörden-Pingpong"). Der Einspruch ist nur dann fristgemäß, wenn er der alten Behörde innerhalb der Einspruchsfrist nach § 355 AO zugeht. Ist dies nicht der Fall, liegt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO nahe.
2.3.3 Einspruchseinlegung bei Grundlagenbescheiden (Abs. 2 S. 2)
Rz. 57
§ 357 Abs. 2 S. 2 AO bestimmt, dass ein Einspruch, der sich gegen die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder gegen die Festsetzung eines Steuermessbetrags richtet, auch bei der zur Erteilung des Steuerbescheids zuständigen Behörde angebracht werden kann.
Rz. 58
Der Einspruch kann also sowohl nach § 357 Abs. 2 S. 1 AO bei der Finanzbehörde eingelegt werden, die den Feststellungsbescheid oder den Steuermessbescheid als Grundlagenbescheid erlassen hat oder bei der ein Antrag auf Erlass eines solchen Verwaltungsakts gestellt worden ist, als auch nach § 357 Abs. 2 S. 2 AO bei der Behörde, die für den Erlass des entsprechenden Steuerbescheids als Folgebescheid zuständig ist. Die Vorschrift schafft für Feststellungs- und Steuermessbescheide somit eine weitere Einlegungsbehörde. So kann z. B. auch ein Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid fristwahrend bei der für die Erteilung des Gewerbesteuerbescheids zuständigen Gemeinde eingelegt werden.
Umgekehrt gilt diese Bestimmung allerdings nicht: Eine fristwahrende Einlegung eines Einspruchs gegen den Steuerbescheid ist nicht bei der für den Erlass des Grundlagenbescheids zuständigen Behörde möglich. In diesem Fall gilt die Regelung des § 357 Abs. 2 S. 4 AO.
Rz. 59
§ 357 Abs. 2 S. 2 AO nennt nicht alle Fälle von Grundlagenbescheiden, sondern beschränkt sich auf Feststellungsbescheide und Steuermessbescheide. Die Regelung hat ihren Grund in der für einen Laien aus der Ineinanderschachtelung von Bescheiden sich ergebenden Schwierigkeit, die Stelle richtig zu erkennen, bei der der Einspruch anzubringen ist. Diese Schwierigkeit ergibt sich in gleicher Weise bei den nicht aufgezählten Grundlagenbescheiden. Es ist daher Seer und Bartone darin zuzustimmen, dass die Regelung über den Wortlaut hinaus auf alle – von einer Finanzbehörde erlassene – Grundlagenbescheide entsprechend anzuwenden sein sollte, also z. B. auch für Zerlegungsbescheide und Zuteilungsbescheide gilt. Ebenso ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn der entsprechende Folgebescheid kein Steuerbescheid ist.
Um mögliche Streitigkeiten zu vermeiden, sollte der Einspruch in diesen Fällen aber dennoch sicherheitshalber...