Rz. 48
§ 362 Abs. 1 S. 2 AO schreibt die sinngemäße Geltung des § 357 Abs. 2 AO vor und bestimmt damit die Einlegungsbehörde, also die Finanzbehörde, bei der der Einspruch einzulegen ist, auch als Adressaten der Einspruchsrücknahme.
Die Rücknahme des Einspruchs ist dementsprechend nach § 362 Abs. 1 S. 2 AO i. V. m. § 357 Abs. 2 S. 1 AO grds. gegenüber der Finanzbehörde zu erklären, deren Verwaltungsakt angefochten wurde oder, im Fall des "Untätigkeitseinspruchs" nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO, bei der der noch nicht beschiedene Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts gestellt worden ist.
Rz. 49
Auch die in § 357 Abs. 2 S. 2 und 3 AO getroffenen Bestimmungen weiterer Finanzbehörden als Einlegungsbehörden gelten entsprechend für die Rücknahmeerklärung.
Folglich kann die Rücknahme eines Einspruchs, der sich gegen die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, gegen die Festsetzung eines Steuermessbetrages – oder nach der hier vertretenen Auffassung gegen einen anderen von einer Finanzbehörde erlassenen Grundlagenbescheid – richtet, entsprechend § 357 Abs. 2 S. 2 AO auch gegenüber der Finanzbehörde erklärt werden, die für die Erteilung des Steuerbescheids zuständig ist. Ein Einspruch, der sich gegen Verwaltungsakt richtet, den eine Finanzbehörde aufgrund gesetzlich zugelassener Beauftragung für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, kann entsprechend § 357 Abs. 2 S. 3 AO bei der zuständigen – beauftragenden – Finanzbehörde zurückgenommen werden.
Rz. 50
Wird die Rücknahme des Einspruchs bei einer anderen Behörde als den nach § 357 Abs. 2 S. 1 bis 3 AO bezeichneten Einlegungsbehörden erklärt, so bleibt das Einspruchsverfahren entsprechend § 357 Abs. 2 S. 4 AO bis zum Zugang der Erklärung bei einer der Einlegungsbehörden anhängig. Vorher entfaltet die Rücknahme für das Einspruchsverfahren keine Wirkung. Die unzuständige Behörde ist verpflichtet, leicht und einwandfrei als fehlgeleitet erkennbare Rücknahmeerklärungen im Zuge des ordnungsgemäßen Geschäftsganges ohne schuldhaftes Zögern an die zuständige Einlegungsbehörde weiterzuleiten.
Rz. 51
Eine Veränderung der örtlichen Zuständigkeit nach Erlass des Verwaltungsakts bzw. nach Stellung des Antrags auf Erlass eines Verwaltungsakts führt zwar dazu, dass die neue Finanzbehörde nach § 367 Abs. 1 S. 2 AO als Entscheidungsbehörde für die Entscheidung über den hiergegen eingelegten Einspruch zuständig ist, hat aber grds. keinen Einfluss auf die Rechtsstellung der ursprünglich zuständigen Finanzbehörde als Einlegungsbehörde.
Legt somit die Entscheidungsbehörde die Rücknahme des Einspruchs nahe oder kündigt sie nach § 367 Abs. 2 S. 2 AO eine Verböserung an, dürfte die Einspruchsrücknahme deshalb streng genommen nicht gegenüber der Entscheidungsbehörde erklärt werden, sondern müsste – vor der Bekanntgabe einer Entscheidung über den Einspruch durch die Entscheidungsbehörde – bei der Einlegungsbehörde erfolgen, die die Erklärung an die Entscheidungsbehörde weiterzuleiten hat. Wird die Rücknahme des Einspruchs dennoch gegenüber der Entscheidungsbehörde erklärt, müsste diese die Erklärung – um deren Wirksamkeit sicherzustellen – bei strenger Beachtung der Gesetzesanordnung an die Einlegungsbehörde weiterleiten und sie sodann von dieser zur Bearbeitung zurückerhalten ("Behörden-Pingpong"). Ein solches Vorgehen ist wenig verfahrensökonomisch und erscheint wenig sinnvoll, zumal sämtliche Verfahrensakten nach dem Zuständigkeitswechsel an die neu zuständig gewordene Finanzbehörde abgegeben werden. M. E. ist daher auch eine gegenüber der Entscheidungsbehörde erklärte Einspruchsrücknahme als wirksam anzusehen. Sicherheitshalber sollte die Rücknahme gegenüber beiden Finanzbehörden erklärt werden.