Rz. 13
Nach § 364b Abs. 1 AO "kann" die Finanzbehörde dem Einspruchsführer eine Ausschlussfrist setzen. Bei der Fristsetzung handelt es sich somit um eine Ermessensentscheidung.
Rz. 14
Die Finanzbehörde hat ihr Ermessen nach § 5 AO insbesondere entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben.
Sie hat daher zu prüfen, ob durch das Verhalten des Einspruchsführers die Gefahr einer Verfahrensverzögerung besteht, der Einspruch also nicht des Rechtschutzes wegen, sondern zu sachfremden Zwecken eingelegt worden ist, etwa mit dem Ziel des Zeitgewinns.
Davon wird man ausgehen können, wenn der Einspruchsführer einen Einspruch einlegt und ihn ohne sachlichen Grund nicht zeitnah begründet. Zunächst sollte der Einspruchsführer grds. unter Setzung einer einfachen Frist zur Mitwirkung aufgefordert werden. Setzt die Finanzbehörde sofort nach Eingang eines unbegründeten Einspruchs eine Ausschlussfrist nach § 364b AO, wird dies regelmäßig ermessenswidrig sein.
Allerdings darf auch das bisherige Verhalten des Einspruchsführers im Besteuerungsverfahren für die Beurteilung seiner Missbrauchs- und Verzögerungsabsicht berücksichtigt werden. So etwa, wenn der Einspruchsführer seiner Pflicht, Steuererklärungen abzugeben, ständig erst im Einspruchs- oder Klageverfahren gegen die Steuerfestsetzung aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen nachkommt. In einem solchen Fall ist die sofortige Setzung der Ausschlussfrist m. E. nicht ermessensfehlerhaft. Die Finanzbehörde ist bei der Fristsetzung nicht auf solche Fälle beschränkt, in denen eine besondere Eilbedürftigkeit besteht, eine besonders hohe Steuerauswirkung zu erwarten ist oder in denen der Stpfl. wiederholt keine Steuererklärungen abgegeben hat.
Umgekehrt besteht vor dem Erlass der Teileinspruchsentscheidung keine Pflicht für die Finanzbehörde zur Setzung einer Ausschlussfrist nach § 364b Abs. 1 AO. Eine Ermessensreduzierung auf Null besteht insoweit nicht.
Rz. 15
Teilweise wird die Auffassung vertreten, die Fristsetzung sei ermessensfehlerhaft, wenn die Finanzbehörde nicht in der Lage sein wird, nach Ablauf der Frist unverzüglich über den Einspruch zu entscheiden. Dem ist nicht uneingeschränkt zu folgen. Zwar muss die Finanzbehörde das Ziel verfolgen, das Einspruchsverfahren mit der Fristsetzung voranzutreiben. Dafür ist es aber nicht erforderlich, dass sie sofort nach dem Fristablauf abschließend über den Einspruch entscheidet. Vielmehr reicht es m. E. aus, dass mit der Fristsetzung die weitergehende Aufklärung eines – u. U. komplexen – Sachverhalts vorbereitet wird.
Rz. 16
Die Finanzbehörde hat das Ermessen konkret für den jeweiligen Einzelfall auszuüben und im Rahmen ihrer Ermessensausübung das öffentliche Interesse an einer zügigen Verfahrensbearbeitung mit dem Interesse des Einspruchsführers an einer Verzögerung des Verfahrens abzuwägen.
Rz. 17
§ 364b AO verlangt zwar von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich den Nachweis des Umstands, dass das Einspruchsverfahren von dem Einspruchsführer mit Verzögerungs- oder Missbrauchsabsicht betrieben wird. Allerdings muss die Finanzbehörde ihre Ermessensentscheidung begründen und die Umstände darlegen, aus denen sie auf diese Absicht des Einspruchsführers schließt.
Rz. 18–22 einstweilen frei