Rz. 7

Im allgemeinen Verwaltungsverfahren kann die Finanzbehörde die Beweisaufnahme durchführen, ohne dass der Beteiligte oder sein Bevollmächtigter einbezogen werden muss. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird durch § 91 AO gewährleistet, wonach der Beteiligte grundsätzlich vor Erlass eines Verwaltungsakts gehört werden soll. Abweichend hiervon ist im Einspruchsverfahren das Mitwirkungsrecht des Beteiligten stärker ausgeprägt. Zum einen soll die Finanzbehörde dem Einspruchsführer nach § 364a AO auf Antrag den Sach- und Rechtsstand erörtern. Zum anderen haben nach § 365 Abs. 2 AO der Beteiligte und sein Bevollmächtigter bei bestimmten Beweisaufnahmehandlungen ein Teilnahmerecht. Dies besteht für die

  • mündliche Anhörung von Auskunftspflichtigen[1],
  • mündliche Gutachtenerstattung von Sachverständigen[2],
  • Einnahme des Augenscheins.[3]
 

Rz. 8

Die Beteiligten und ihre Vertreter sind demgemäß durch die Finanzbehörde von der Durchführung dieser Beweisaufnahmehandlungen so rechtzeitig zu unterrichten, dass ihnen die Ausübung ihres Teilnahmerechts möglich ist. Eine einvernehmliche Termingestaltung ist nicht vorgesehen. Der Beteiligte oder sein Bevollmächtigter haben insoweit auf die Verfahrensgestaltung durch die Finanzbehörde keine Einwirkungsmöglichkeit.

 

Rz. 8a

Nach überwiegender Auffassung in der Kommentarliteratur führt die Verletzung des Rechts auf Teilnahme zu einem Verwertungsverbot.[4] Das ist m. E. jedoch zu weitgehend. Im Besteuerungsverfahren besteht kein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt worden sind.[5]

Deshalb hat auch die Verletzung des Teilnahmerechts keinen Einfluss auf die Verwertbarkeit des Beweisergebnisses. Lediglich dann, wenn ein Beteiligter das Ergebnis der Beweisaufnahme bestreitet, kann das FG entweder die Einspruchsentscheidung nach § 100 Abs. 3 FGO ohne Sachentscheidung aufheben[6] oder die Beweisaufnahme im Laufe des Klageverfahrens wiederholen. Das Ergebnis dieser gerichtlichen Beweisaufnahme unterliegt der uneingeschränkten richterlichen Würdigung. Der finanzbehördliche Verfahrensverstoß hat auf diese Beweiswürdigung keinen Einfluss.[7]

[3] §§ 98 bis 100 AO.
[4] Birkenfeld, in HHSp, AO/FGO, § 365 AO Rz. 145; Bartone, in Gosch, AO/FGO, § 365 AO Rz. 19; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 365 AO Rz. 24; Koenig/Coester, AO, 3. Aufl. 2014, § 365 Rz. 17; Klein/Rätke, AO, 14. Aufl. 2018, § 365 Rz. 5.
[7] I.E. ebenso Birnbaum, in BeckOK AO (6. Ed. 10/2018), § 365 Rz. 28.

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