3.3.1 Grundlage
Rz. 18
Wird der angefochtene Verwaltungsakt durch die Finanzbehörde im Verlauf des Einspruchsverfahrens vollständig zurückgenommen, widerrufen oder aufgehoben , so verliert er gem. § 124 Abs. 2 AO seine rechtsverbindliche Wirkung. Der Verfahrensgegenstand des Einspruchsverfahrens wäre damit beseitigt worden und das Verfahren abgeschlossen. Hier greift nun die Regelung des § 365 Abs. 3 AO ein, wonach ein später erlassener Verwaltungsakt, soweit er den vollständig aufgehobenen, zurückgenommenen oder widerrufenen Verwaltungsakt inhaltlich ersetzt, kraft Gesetzes Gegenstand des gegen den ersetzten Verwaltungsakt anhängigen Einspruchsverfahrens wird. Einer besonderen Anfechtung mit dem Einspruch bedarf es nicht. Einer gleichwohl vorgenommenen Anfechtung – die besonders dann empfehlenswert ist, wenn nicht zweifelsfrei erkennbar ist, dass der neu erlassene Verwaltungsakt ersetzenden Charakter hat – kommt als wiederholender Anfechtung keine eigenständige verfahrensrechtliche Bedeutung zu.
Rz. 19
Ohne Bedeutung ist § 365 Abs. 3 AO für eine Teilaufhebung, Teilrücknahme und einen Teilwiderruf (S. Rz. 17).
3.3.2 Begriff
Rz. 20
Der Begriff der "Ersetzung" wird in der AO an anderer Stelle nicht verwendet. Er findet sich jedoch in § 68 FGO. Die Bestimmung seines Inhalts hat unter Berücksichtigung des Zwecks des § 365 Abs. 3 AO zu erfolgen, dem Einspruchsführer ein erneutes Einspruchsverfahren zu ersparen. Der Begriff der Ersetzung ist weit auszulegen.
Rz. 20a
Eine Ersetzung i. d. S. liegt demgemäß vor, wenn die Finanzbehörde den mit dem Einspruch angefochtenen Verwaltungsakt vollständig aufhebt, zurücknimmt oder widerruft und gleichzeitig oder später anstelle des außer Kraft gesetzten Verwaltungsakts einen neuen Verwaltungsakt erlässt, der den rechtlichen Regelungsinhalt des vorherigen Verwaltungsakts ohne inhaltliche Modifizierung wiederholt oder diesem, abgesehen von einer inhaltlichen Modifizierung, entspricht. Die Wiederholung des Regelungsinhalts ist nur dann eine Ersetzung i. d. S., wenn eine neue eigenständige Regelung getroffen wird.
Gleiches gilt, wenn ohne ausdrückliche Rücknahme, Aufhebung oder Widerruf durch einen neuen Verwaltungsakt eine inhaltliche "Erledigung" des Einspruchsverfahrens eintritt. Dies gilt auch, wenn in einem Einspruchsverfahren gegen eine Anrechnungsverfügung hinsichtlich von Vorauszahlungen ein Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 S. 1 AO ergeht.
Da es nur darauf ankommt, dass ein Einspruch eingelegt ist, wird eine Ersetzung auch angenommen, wenn ein wirksamer Verwaltungsakt an die Stelle eines unwirksamen oder nichtigen Verwaltungsakts tritt. § 365 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 AO bestimmt für diesen Fall jedenfalls die entsprechende Anwendung der Vorschrift.
Eine Ersetzung i. S. v. § 353 Abs. 3 AO liegt demgegenüber nicht vor, wenn der neue Verwaltungsakt einen gegenüber dem vorherigen Verwaltungsakt völlig anderen Regelungsinhalt hat oder kein sachlicher Zusammenhang besteht, es sich nicht um "dieselbe Steuersache"handelt. Es muss zumindest eine teilweise Identität der Regelungsbereiche beider Verwaltungsakte gegeben sein. Wesentliche Unterschiede wären i. d. S. z. B. verschiedene Steuerrechtssubjekte, verschiedene Steuerarten, verschiedene Zeiträume und verschiedene Lebenssachverhalte.
3.3.3 Beispiele für eine Ersetzung
Rz. 21
Eine Ersetzung wird in folgenden Fällen angenommen: