3.1 Voraussetzungen der Sachentscheidung
Rz. 10
Die für die Entscheidung über den Einspruch zuständige Finanzbehörde hat aufgrund des Einspruchs die Pflicht zur Entscheidung in angemessener Zeit.
Erste Voraussetzung der finanzbehördlichen Entscheidungsbefugnis in der Sache nach § 367 Abs. 2 S. 1 AO ist allerdings die
Rz. 10a
Rz. 10b
- Zulässigkeit des Einspruchsverfahrens. Die finanzbehördliche Prüfungspflicht besteht primär hinsichtlich der Zulässigkeit des Einspruchsverfahrens. Diese ist in jedem Stadium des Einspruchsverfahrens von Amts wegen zu beachten. Fehlt die Zulässigkeit, so ist der Einspruch nach § 358 S. 2 AO zwingend durch Einspruchsentscheidung als unzulässig zu verwerfen. Die Finanzbehörde ist an die durch die Unzulässigkeit des Einspruchs eingetretene Bestandskraft des angefochtenen Verwaltungsakts gebunden und darf im Einspruchsverfahren keine Sachentscheidung treffen. Die Bestandskraft des Verwaltungsakts steht nicht in der Disposition der Finanzbehörde. Nur der zulässige und form- und fristgerecht eingelegte Einspruch hindert den Eintritt der Bestandskraft des angefochtenen Verwaltungsakts. Nach dem Eintritt der Bestandskraft ist die Änderung des Verwaltungsaktes nur noch nach Maßgabe der §§ 130f. und §§ 172ff. AO möglich.
Rz. 11
Auf den Inhalt der finanzbehördlichen Entscheidungsbefugnis bleibt die Anhängigkeit eines finanzgerichtlichen Klageverfahrens ohne Auswirkung.
Hat der Einspruchsführer vor oder nach der Einlegung des Einspruchs auch Sprungklage nach § 45 FGO erhoben , so ist für die Dauer der Anhängigkeit des Einspruchsverfahrens die Sprungklage unzulässig. Das Einspruchsverfahren hat Priorität. Durch die Klageerhebung kann der Einspruchsführer der Finanzbehörde die Entscheidungsbefugnis und insbesondere die Möglichkeit zur Verböserung nicht entziehen.
Dies gilt auch bei Erhebung der Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO, wenn die Behörde über einen eingelegten Einspruch nicht in angemessener Frist entschieden hat.
3.2 Materielle Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts (Abs. 2 S. 1)
3.2.1 Grundsätzlicher Nachprüfungsumfang
Rz. 12
Nach § 367 Abs. 2 S. 1 AO hat die Finanzbehörde aufgrund des anhängigen und zulässigen Einspruchsverfahrens die Sache, also den Regelungsinhalt des mit dem Einspruch angefochtenen Verwaltungsakts, "in vollem Umfang erneut zu prüfen". Dieser Grundsatz ergibt sich zwangsläufig aus der nach §§ 85, 88 AO bestehenden Verpflichtung der Finanzbehörde, die Steuer nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig und materiell richtig festzusetzen und dabei alle Umstände, auch die für den Stpfl. günstigen, zu berücksichtigen. Da das finanzbehördliche Einspruchsverfahren Teil des allgemeinen Verwaltungsverfahrens ist, gilt über § 365 Abs. 1 AO diese Regelung auch für das Einspruchsverfahren.
Rz. 13
Das finanzbehördliche Einspruchsverfahren bezweckt nicht nur den Rechtsschutz des Beteiligten, sondern dient auch der Selbstkontrolle der Finanzbehörde. Das Einspruchsverfahren ist nur ein Teil des allgemeinen, auf den Erlass des Verwaltungsakts gerichteten Verwaltungsverfahrens. Die Finanzbehörde darf sich deshalb nicht darauf beschränken, den Regelungsinhalt des angefochtenen Verwaltungsakts auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen, sondern hat über den in dem angefochtenen Verwaltungsakt geregelten Lebenssachverhalt eine erneute Entscheidung zu treffen. Durch die Einspruchseinlegung wird die Finanzbehörde in die gleiche Rechtssituation versetzt, als würde sie über die Sache erstmals entscheiden.
Rz. 13a
Der Prüfungsumfang wird nicht durch das Einspruchsbegehren des Einspruchsführers, seine Anträge im Einspruchsverfahren oder durch Regelungen für die Änderung von...