4.3.2.1 Selbstständiger Verwaltungsakt mit Abschlusswirkung
Rz. 52
Die Einspruchsentscheidung ist ein rechtlich selbstständiger Verwaltungsakt, der zunächst den Abschluss des anhängigen Einspruchsverfahrens bewirkt.
Die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ist Sachentscheidungsvoraussetzung des finanzgerichtlichen Klageverfahrens. Die Einspruchsentscheidung ist allerdings grundsätzlich nicht Gegenstand der Klage. Nach § 44 Abs. 2 FGO verliert die Einspruchsentscheidung für das Klageverfahren ihre rechtliche Selbstständigkeit. Die Klage ist gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt zu richten in der Gestalt, die er durch die Einspruchsentscheidung gefunden hat.
Rz. 53
Nur in Ausnahmefällen ist die Einspruchsentscheidung gesondert anfechtbar, wenn
- der Einspruch als unzulässig verworfen worden ist, da dann eine Sachentscheidung und demgemäß eine Sachverhaltsermittlung nicht erfolgt ist;
- durch die Einspruchsentscheidung ein Dritter erstmalig beschwert ist;
- die Einspruchsentscheidung gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbstständige Beschwer enthält, die ein berechtigtes Interesse des Einspruchsführers an der alleinigen Aufhebung der Einspruchsentscheidung begründet;
- eine Einspruchsentscheidung erlassen wurde, obgleich kein Einspruch eingelegt wurde;
- eine Einspruchsentscheidung erlassen worden ist, obgleich das Einspruchsverfahren durch Rücknahmeerklärung abgeschlossen worden ist. Die Finanzbehörde hat keine Befugnis, von sich aus ein Einspruchsverfahren zu beginnen und dadurch über einen Verwaltungsakt neu zu entscheiden;
- dem Einspruchsführer durch den Verlust des Einspruchsverfahrens ein verfahrensrechtlich relevanter Entscheidungsspielraum eingeengt wird, etwa durch eine Verböserung in der Einspruchsentscheidung, ohne Ankündigung durch die Finanzbehörde gemäß § 367 AO Abs. 2 AO.
Rz. 53a
Durch die Aufhebung der Einspruchsentscheidung im Klageverfahren ist das Einspruchsverfahren wieder anhängig. Im Fall der isolierten Anfechtung der Einspruchsentscheidung können im Revisionsverfahren nur solche Mängel geltend gemacht werden, die allein der Einspruchsentscheidung anhaften, sonstige Mängel des angefochtenen Verwaltungsakts können nicht mehr geltend gemacht werden.
Rz. 54
Sind mehrere Verwaltungsakte mit dem Einspruch angefochten, so sind entsprechend mehrere Einspruchsverfahren anhängig. Über jedes Verfahren ist durch eine jeweils rechtlich selbstständige Einspruchsentscheidung gesondert zu entscheiden. Die äußerliche Verbindung mehrerer Einspruchsentscheidungen ist jedoch zulässig und üblich. Diese Verbindung hat keinen Einfluss auf die rechtliche Selbstständigkeit der jeweiligen Entscheidung.
4.3.2.2 Inhaltsgestaltung des angefochtenen Verwaltungsakts
Rz. 55
Die Einspruchsentscheidung ist nur eine Entscheidung über das Einspruchsverfahren, wenn der Einspruch als unzulässig verworfen worden ist. Demgegenüber enthält die Einspruchsentscheidung eine materiell-rechtliche Bestätigung oder inhaltliche Umgestaltung des Regelungsinhalts des angefochtenen Verwaltungsakts, wenn der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen oder eine neue Regelungsaussage getroffen wird. Hierdurch verliert die Regelung aber nicht ihren Rechtscharakter als Einspruchsentscheidung.
Rz. 56
Die Umgestaltung des Regelungsinhalts erfolgt nur, soweit dies im Tenor der Einspruchsentscheidung ausdrücklich geregelt ist. Im Übrigen bleiben die Regelungen des angefochtenen Verwaltungsakts unverändert. Beide Regelungen, die des angefochtenen Verwaltungsakts und die der Einspruchsentscheidung, zusammen bilden inhaltlich einen Regelungsverbund, der nach § 44 Abs. 2 FGO Gegenstand der finanzgerichtlichen Klage wird. Für das Klageverfahren wird der Inhalt der Einspruchsentscheidung dem angefochtenen Verwaltungsakt zugerechnet. Im Besteuerungsverfahren behält die Einspruchsentscheidung dagegen ihre rechtliche Selbstständigkeit und hat bei einer inhaltlichen Umgestaltung der Regelungsaussage des angefochtenen Verwaltungsakts die gleiche Rechtsqualität wie ein Änderungsbescheid.