3.5.1 Überblick
Rz. 70
Die vorsätzliche Straftat entwickelt sich in verschiedenen Schritten, die unter rechtlichen Gesichtspunkten streng zu unterscheiden sind:
- Das Tatgeschehen beginnt zunächst mit der Fassung des Tatentschlusses. Dies ist als solches nicht strafbar. Etwas anderes kann sich aus § 30 Abs. 2 StGB lediglich für Verbrechen ergeben.
Rz. 71
- Hieran knüpfen Vorbereitungshandlungen an, die im subjektiven Bereich die Konkretisierung des Tatentschlusses und im objektiven Bereich die Vorbereitung der Verwirklichung der Straftat erfassen. Vorbereitungshandlungen sind nur in Ausnahmefällen strafbar, wenn sie für die Rechtsordnung besonders gefährlich erscheinen. Im Bereich der Steuerverfehlungen ist nur die Vorbereitung zur Steuerzeichenfälschung nach § 149 StGB strafbar. Im Übrigen kommt für verschiedene Vorbereitungshandlungen eine Ahndung als Steuerordnungswidrigkeit in Betracht.
Rz. 72
- Im Anschluss an die Vorbereitung beginnt der Versuch, wenn der Täter "nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt". Die Strafbarkeit des Versuchs bestimmt sich nach § 23 Abs. 1 StGB i. V. m. den jeweiligen gesetzlichen Regelungen.
Rz. 73
- Die formelle Vollendung der Straftat tritt bei ungehindertem Fortgang des Geschehens ein, wenn alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der Strafnorm erfüllt sind. Gehört der Eintritt des Taterfolgs zum Gesetzestatbestand, so ist die Tat erst in diesem Zeitpunkt vollendet, z. B. die Steuerhinterziehung mit Bekanntgabe des die verkürzte Steuer festsetzenden Steuerbescheids.
Rz. 74
Von der rechtlich relevanten Vollendung ist die tatsächliche Beendigung der Tat zu unterscheiden, die dann eintritt, wenn das Tatunrecht über die eigentliche Tathandlung hinaus seinen tatsächlichen Abschluss gefunden hat. So ist z. B. die Steuerhinterziehung beendet, wenn nach Abrechnung der fehlerhaften Steuerfestsetzung ein Erstattungsbetrag ausgekehrt worden ist.
Der Zeitpunkt der Beendigung ist z. B. im Hinblick auf die strafrechtliche Verjährung von Bedeutung.
3.5.2 Versuch der Straftat
3.5.2.1 Allgemeines
Rz. 75
Der Versuch einer Straftat unterscheidet sich von ihrer Vollendung dadurch, dass der subjektive Tatbestand des Delikts bereits erfüllt ist, aber der objektive Tatbestand noch nicht vollständig gegeben ist, da der Erfolg noch nicht eingetreten ist. Der subjektive Tatbestand des versuchten und des vollendeten Delikts ist somit identisch. Die Prüfung des Versuchs ist allerdings – im Gegensatz zum vollendeten Delikt – mit dem subjektiven Tatbestand zu beginnen, da der objektive Tatbestand, der den Bezugspunkt des Vorsatzes darstellt, ganz oder teilweise noch nicht verwirklicht ist. Der objektive (Versuchs-)Tatbestand besteht lediglich in einem unmittelbaren Ansetzen i. S. d. § 22 StGB (vgl. Rz. 80).
Rz. 76
Der Strafgrund des Versuchs ergibt sich aus § 22 StGB und er liegt nach h. M. in dem rechtserschütternden Eindruck, den die nach außen manifestierte Betätigung eines kriminellen Willens hinterlässt. Ein solcher betätigter Wille stellt grundsätzlich eine Gefahr für das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung sowie den Rechtsfrieden dar und bedarf daher der Sanktion. Daraus ergibt sich jedoch, dass auch ein sog. untauglicher Versuch bestraft werden kann, obwohl er objektiv nicht zu einer vollendeten Straftat führen konnte, vgl. § 23 Abs. 3 StGB.
Rz. 77
Der Versuch (s. Rz. 72) einer Straftat, die als Vergehen zu bewerten ist (s. Rz. 51), ist nur strafbar, wenn das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt. Sie ergibt sich für die versuchte Steuerhinterziehung aus § 23 Abs. 1 StGB i. V. m. § 370 Abs. 2 AO, für den versuchten Schmuggel aus § 23 Abs. 1 StGB i. V. m. § 373 Abs. 3 AO, für die versuchte Steuerhehlerei aus § 23 Abs. 1 StGB i. V. m. § 374 Abs. 3 AO sowie für die versuchte Fälschung von Steuerzeichen aus § 23 Abs. 1 StGB i. V. m. § 148 Abs. 3 StGB.
Der Versuch der Begünstigung gem. § 257 StGB und der Schädigung des Umsatzsteueraufkommens gem. § 26c UStG sind hingegen in Ermangelung einer entsprechenden gesetzlichen Regelung nicht strafbar.
Rz. 78
Für die versuchte Straftat kann gem. § 23 Abs. 2 StGB eine Strafminderung gegenüber der (fiktiven) vollendeten Tat gewährt werden (s. Rz. 141).
In einem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung gilt für den Versuch aber auch der erweiterte Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO. Insoweit ist allerdings zu beachten, dass sich aus der versuchten oder tatsächlichen Verwirklichung des das Regelbeispiel begründenden Merkmals allein – z. B. zum Gewinnen des Amtsträgers – keine Versuchsstrafbarkeit ergeben kann. Vielmehr setzt die Strafbarkeit nach einem Regelbeispiel der Steuerhinterziehung voraus, dass nach dem Täterplan auch zum Tatbestand der Steuerhinterziehung unmittelbar angesetzt wurde.