3.9.2.1 Verfolgungspflicht
Rz. 138
Für die Verfolgung von Steuerstraftaten gilt zwar grundsätzlich das Legalitätsprinzip, aber auch wenn die Tat dem Tatbeteiligten nachgewiesen ist, kann in besonderen Fällen von der Ahndung abgesehen und das Strafverfahren durch Einstellung abgeschlossen werden, wenn z. B. Verfahrenshindernisse bestehen, materiell-rechtliche Hinderungsgründe bestehen oder tatsächliche Gründe der Sanktionierung entgegenstehen. Darüber hinaus kann die Strafverfolgungspflicht auch durchbrochen sein, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht oder die Erfüllung einer Auflage das öffentliche Interesse an der Verfolgung der Straftat beseitigt.
3.9.2.2 Hauptstrafe – Nebenfolgen
Rz. 139
Die Ahndung der Steuerstraftat erfolgt durch die Festsetzung einer Strafe. Die Strafe ist die Zufügung eines Übels, das nur durch das Gericht ausgesprochen werden kann. Die Hauptstrafen können nur in zwei Formen verhängt werden, als Freiheitsentziehung (s. Rz. 143ff.) und/oder als Geldzahlungspflicht (s. Rz. 153ff.).
Der gesetzliche Straftatbestand legt nur den Rahmen für die "Haupt"-Strafe fest (s. Rz. 141). Die rechtswidrige und schuldhafte Erfüllung des Straftatbestands (s. Rz. 12ff.) kann jedoch auch strafrechtliche Nebenfolgen auslösen.
Rz. 140
Solche strafrechtlichen Nebenfolgen sind nach § 369 Abs. 2 AO i. V. m. den Regelungen des StGB z. B.:
Darüber hinaus eröffnet § 375 AO für bestimmte Steuerstraftaten neben der Strafe die Möglichkeit zur
- Aberkennung der Amtsfähigkeit und Wählbarkeit und zur
- Einziehung von bestimmten Gegenständen.
3.9.2.3 Strafrahmen
Rz. 141
Der anzuwendende gesetzliche Straftatbestand gibt einen Strafrahmen vor, innerhalb dessen die im Einzelfall schuldangemessene Strafe (s. Rz. 161ff.) festzusetzen ist. Der Strafrahmen der Steuerhinterziehung beträgt z. B. gem. § 370 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 AO bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Neben diesem Grundstrafrahmen ist bei der Steuerhinterziehung der besonders schwere Fall gem. § 370 Abs. 3 AO mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu berücksichtigen.
Dieser Strafrahmen kann gem. § 49 StGB reduziert werden, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben oder zugelassen ist, z. B.
- beim Versuch,
- bei der Beihilfe oder
- bei unechten Unterlassungsdelikten.
Rz. 142
Dieser Strafrahmen kann überschritten werden, wenn gem. § 54 StGB eine Gesamtstrafe zu bilden ist (s. Rz. 135). Dies ist der Fall, wenn der jeweilige Beschuldigte nicht nur eine, sondern mehrere Straftaten begangen hat. Zur Bildung einer Gesamtstrafe wird zunächst für jede Einzeltat gesondert die angemessene Einzelstrafe ermittelt. Die aus diesen Einzelstrafen zu bildende Gesamtstrafe muss höher liegen als die höchste gebildete Einzelstrafe und niedriger als die Summe der Einzelstrafen. Folglich ist die höchste Einzelstrafe um einen Bruchteil der Differenz zwischen höchster Einzelstrafe und Summe aller Einzelstrafen zu erhöhen. Die am weitesten verbreitete Berechnungsart ist, alle Einzelstrafen bis auf die höchste aufzuaddieren und diese Summe durch zwei zu teilen. Zu diesem Ergebnis wird dann die höchste und zuvor nicht berücksichtigte Einzelstrafe addiert.
Die Einzelstrafen für verschiedene Einkommensteuerhinterziehungen betragen für 2017 155 Tagessätze, für 2018 145 Tagessätze und für 2019 200 Tagessätze. Die höchste Einzelstrafe von 200 Tagessätzen wird dann angemessen erhöht, sodass sich z. B. eine Gesamtstrafe i. H. v. 350 Tagessätzen ergeben könnte (155 + 145 = 300:2 = 150 + 200 = 350).
Gem. § 54 Abs. 2 StGB darf eine als Gesamtstrafe verhängte Freiheitsstrafe 15 Jahre nicht übersteigen, bei Geldstrafen darf die Zahl der Tagessätze (vgl. Rz. 156ff.) nicht höher als 720 sein.
3.9.2.4 Freiheitsstrafe
Rz. 143
Die schwerste Ahndungsfolge einer Straftat ist der Freiheitsentzug. Nach § 39 StGB wird die Freiheitsstrafe nach vollen Wochen, Monaten oder Jahren bemessen.
Rz. 144
Die Freiheitsstrafe beträgt nach § 38 Abs. 2 StGB mindestens einen Monat, soweit nicht eine andere Regelung getroffen ist, z. B. nach:
- § 370 Abs. 3 AO im Fall der besonders schweren Steuerhinterziehung mindestens sechs Monate;
- § 373 Abs. 1 AO im Fall des gewaltsamen,...