Rz. 261

Bei der Schädigung des USt-Aufkommens nach § 26c UStG handelt es sich um eine eigenständige Steuerstraftat. Wird die USt jedoch durch Nicht- oder Falschanmeldung hinterzogen, so kommt es nicht zur Konkurrenz mit § 370 AO, da die Hinterziehung der USt dazu führt, dass die hinterzogene Steuer i. S. d. § 26b UStG nicht fällig gestellt wird und demgemäß die zu verletzende Zahlungspflicht gar nicht entsteht.[1] Sofern die USt nur z.  T. hinterzogen und der nicht hinterzogene Teil der Steuer bei Fälligkeit nicht bezahlt wird, liegt Tatmehrheit zwischen Steuerhinterziehung bzgl. der Falschanmeldung und §§ 26b und 26c UStG bzgl. der Nichtzahlung vor.[2] Es handelt sich insoweit um zwei Taten i. S. d. § 53 Abs. 1 StGB, die verschiedene Steuerbeträge betreffen.

 

Rz. 262

Bei Umsatzsteuervoranmeldungen kann es aufgrund der Regelung des § 18 Abs. 1 S. 3 UStG hingegen zu einem Nebeneinander von § 370 AO und § 26c UStG kommen, was im Hinblick auf die besonderen gesetzlichen Regelungen zu einer komplizierteren Rechtslage als bei Umsatzsteuerjahreserklärungen führt. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass § 18 Abs. 1 S. 4 UStG die Fälligkeit der Vorauszahlung gesetzlich bereits auf den zehnten Tag nach Ablauf des Voranmeldezeitraums festlegt. Die Fälligkeit ist somit unabhängig von der Abgabe einer Voranmeldung im Gesetz geregelt.[3] Im Hinblick auf § 26c UStG ist somit fraglich, ob diese besondere Fälligkeitsregelung auch insoweit gilt oder ob es für die Anwendbarkeit des § 26c UStG erforderlich ist, dass erst tatsächlich eine Steueranmeldung eingereicht worden sein muss.[4] Für das Erfordernis einer vorherigen Anmeldung würde i. d. R. sprechen, dass im Fall der fehlenden Anmeldung der Umsatzsteuer normalerweise keine durch die §§ 26b, 26c UStG zu schließende Gesetzeslücke besteht, da meist schon wegen der fehlenden Erklärung der steuerpflichtigen Umsätze ein Fall der Steuerhinterziehung nach § 370 AO vorliegen dürfte. Ferner wäre zu klären, welcher Betrag ohne das Vorliegen einer Anmeldung zur Zahlung fällig werden soll.

 

Rz. 263

Diese Bedenken können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die besondere gesetzliche Fälligkeitsregelung des § 18 Abs. 1 S. 4 UStG bei Umsatzsteuer-Voranmeldungen eindeutig ist: Maßgeblich für die anzumeldende und zu zahlende Steuer ist insoweit – unabhängig von der Vorstellung der Beteiligten –der im konkreten Fall geschuldete richtige Steuerbetrag. Folglich sind §§ 26b, 26c UStG bei Fälligkeit der Vorauszahlung anwendbar, unabhängig davon, ob eine Anmeldung abgegeben wurde.[5] Reicht der Stpfl. eine falsche oder gar keine USt-Voranmeldung ein, so tritt folglich unabhängig davon die Fälligkeit der Vorauszahlung am 10. Tag nach dem Ablauf des Voranmeldezeitraums ein, sodass der Stpfl. dadurch gleichzeitig bezüglich desselben Betrags eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO und in Tatmehrheit eine Schädigung des USt-Aufkommens[6] begeht, wobei Letztere i.  d.  R. eine mitbestrafte Nachtat darstellen dürfte.

 

Rz. 264

Eindeutig ist die Rechtslage, wenn eine falsche – zu niedrige – Umsatzsteuer-Voranmeldung eingereicht wird: Der Stpfl. begeht insoweit in Höhe des nicht erklärten Betrags eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO und bei Nichtzahlung des angemeldeten Betrags verwirklicht er in Tatmehrheit den Tatbestand des § 26b UStG. Liegen darüber hinaus die Qualifikationsmerkmale des § 26c UStG vor, so ist auch dieser Tatbestand verwirklicht.[7]

 

Rz. 265

Ist die Strafbarkeit nach § 370 AO wegen einer Nicht- oder Falschanmeldung aufgrund einer Selbstanzeige ausgeschlossen, so hat dies zur Folge, dass §§ 26b, 26c UStG eingreifen.

Der Straftatbestand des § 26c UStG geht nach § 21 Abs. 1 OWiG der Ordnungswidrigkeit des § 26b UStG vor. Die beiden Qualifikationstatbestände des § 26c UStG – die gewerbsmäßige und die bandenmäßige Begehung – können durchaus nebeneinander vorliegen. So dürfte insb. bei Mitgliedern einer Bande in aller Regel auch die Absicht der gewerbsmäßigen Begehung vorliegen.

 

Rz. 266

Wird die USt zu verschiedenen Fälligkeitszeitpunkten nicht oder nicht vollständig entrichtet, liegt Tatmehrheit (vgl. Rz. 134ff.) vor.

[1] Vgl. Rz. 227; Leplow, PStR 2007, 209.
[2] Kaiser/Bangert, in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 26c Rz. 44; Kemper, in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, Stand 17.6.2020, § 26c UStG Rz. 78; Roth, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 26c UStG Rz. 66.
[3] Raudszus, in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 18 Abs. 1-4 UStG Rz. 47ff.; dieser Zeitraum verschiebt sich allerdings um einen Monat, wenn dem Unternehmer eine Dauerfristverlängerung nach den §§ 46ff. UStDV gewährt wurde.
[4] Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 370 AO Rz. 747ff.
[5] Ebenso jetzt auch Kemper, in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, Stand 17.6.2020, § 26c UStG Rz. 79a; Roth, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 26c UStG Rz. 67.
[6] §§ 26b, 26c UStG.
[7] Kaiser/Bangert, in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 26c UStG Rz. 44; Kemper, in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, Stand 17.6.2020, § 26c UStG Rz...

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