Dr. Karsten Webel, Dr. Wolfgang Dumke †
11.6.1 Grundlagen
Rz. 268
Die Strafverfolgungsverjährung bewirkt ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis (s. § 369 AO Rz. 86). Mit Eintritt der Verjährung (s. allgemein § 369 AO Rz. 86) sind nach § 78 Abs. 1 StGB die Ahndung der Tat (s. Rz. 171) und die Anordnung von strafrechtlichen Nebenfolgen (s. Rz. 243) mit Ausnahme der selbstständigen Anordnung des Verfalls ausgeschlossen.
11.6.2 Verjährungsbeginn
Rz. 268a
Die Dauer beträgt nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB regelmäßig fünf Jahre (s. § 369 AO Rz. 86c). Nach der Neufassung des § 376 Abs. 1 AO durch das JStG 2009 v. 19.12.2008 beträgt die Verfolgungsverjährung für Fälle der Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1–5 AO zehn Jahre.
11.6.2.1 Grundsatz
Rz. 269
Nach § 78a StGB beginnt die Verjährung bei der Steuerhinterziehung im Zeitpunkt der Beendigung. Die Vollendung der Tat (s. Rz. 150, 152), d. h. die Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands reicht nicht aus. Beendet ist die Tat erst, wenn der Taterfolg eingetreten ist und das Tatunrecht seinen Abschluss gefunden hat. Unerheblich ist hierbei, ob die Tat bereits entdeckt war (s. Rz. 149). Der Zeitpunkt des Erfolgseintritts und der Tatbeendigung (= Beginn der Verjährung) bei der Steuerhinterziehung sind damit abhängig von der jeweiligen Steuerart (Veranlagungs- oder Fälligkeitssteuer), der jeweiligen tatbestandlichen Handlung (Tun oder Unterlassen) und dem jeweiligen Verfahrensstadium, in dem die Tat begangen wurde (z. B. Festsetzungs-, Rechtsbehelfs- oder Vollstreckungsverfahren).
Rz. 270
Bei der Steuerhinterziehung durch unrichtige Angaben nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO in der Steuererklärung (s. Rz. 41) beginnt die Verjährung bei Veranlagungssteuern demgemäß mit der Bekanntgabe der unzutreffenden Steuerfestsetzung, und zwar am Tag der tatsächlichen Bekanntgabe; die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 AO findet insoweit keine Anwendung. Bei Fälligkeitssteuern beginnt die Verjährung mit Abgabe der Anmeldung oder – sofern eine Zustimmung der Finanzbehörde erforderlich ist – mit dem Zugang der Zustimmung. Spätere Änderungen des Steuerbescheids haben auf die Strafverfolgungsverjährung keinen Einfluss.
Rz. 270a
Bei der Steuerhinterziehung durch pflichtwidriges Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (s. Rz. 54), z. B. durch Nichtabgabe bzw. verspätete Abgabe der Steuererklärung (s. Rz. 57, 59), beginnt die Verjährung, wenn die Steuerfestsetzungen für dieses Steuerjahr im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Veranlagungsdienststelle allgemein abgeschlossen sind, sofern nicht vorher die Steuer mit Schätzung der Besteuerungsgrundlagen festgesetzt wird (s. Rz. 151). Der hypothetische Zeitpunkt, zu dem das FA bei fristgemäßer Abgabe einer Steuererklärung einen Steuerbescheid erlassen hätte, ist für die Frage der Tatbeendigung und damit für den Verjährungsbeginn ohne Bedeutung.
Rz. 270b
Eine besondere Problematik ergibt sich im Hinblick auf die Steuerhinterziehung durch pflichtwidriges Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO bzgl. des Endes der Verjährungsfrist. Insoweit gebietet der in-dubio-Satz nicht die Annahme, dass der Angeklagte als erster veranlagt worden wäre. Folglich ist auch für die Frage, ob eine Tat bereits verjährt ist, für die Berechnung stets von dem Zeitpunkt auszugehen, in dem die Steuerfestsetzungen für das jeweilige Steuerjahr im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Veranlagungsdienststelle allgemein abgeschlossen sind.
11.6.2.2 Besonderheiten
Rz. 271
Bei Tateinheit zwischen mehreren Steuerhinterziehungen (s. Rz. 187, 191) beginnt die Strafverfolgungsverjährung für jede einzelne Steuererklärung gesondert.
Rz. 272
Beim Versuch der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 2 AO (s. Rz. 135) beginnt die Verjährung beim untauglichen Versuch (s. § 369 AO Rz. 43) mit der Vornahme der Tathandlung und beim fehlgeschlagenen Versuch (s. Rz. 136), wenn also die Vollendung der Steuerhinterziehung (s. Rz. 269) nicht eingetreten ist, mit der Bestandskraft des Steuerbescheids, auf den sich die unrichtige oder unterlassene Steuererklärung bezog.
Rz. 273
Werden bei einer Personengesellschaft die Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung nach § 180 Abs. 1 AO unrichtig oder unvollständig abgegeben (s. Rz. 41), so ist der Taterfolg in Form des Steuervorteils (s. Rz. 85b, 97, 207) mit Erlass des Feststell...