Dr. Karsten Webel, Dr. Wolfgang Dumke †
13.1 Allgemeines
Rz. 294
Steuerhinterziehungen werden nicht nur auf dem Gebiet der Bundesrepublik begangen, sondern zunehmend staatenübergreifend. Strafbar ist allerdings nach § 3 StGB grundsätzlich nur die im Inland begangene Steuerhinterziehung (Rz. 11; § 369 AO Rz. 36), wobei die Nationalität des Tatbeteiligten unerheblich ist. § 370 Abs. 7 AO erweitert die Strafbarkeit der Steuerhinterziehung auf Auslandstaten, um die Ahndungsmöglichkeiten der deutschen Strafverfolgungsorgane nicht an den deutschen Grenzen enden zu lassen. Hierdurch wird die Anwendung des § 370 Abs. 6 AO (Rz. 285) ermöglicht.
Rz. 295
§ 370 Abs. 7 AO findet nur dann Anwendung, wenn die Tat nicht im Inland begangen wurde (§ 369 AO Rz. 36a) und die Sonderregelungen nach § 369 Abs. 2 AO i. V. m. §§ 4–7 StGB nicht eingreifen. Zu beachten ist, dass der Ort der Tat durch § 9 AO bestimmt wird (§ 369 AO Rz. 37). Da der Eintritt des Taterfolgs zum Tatbestand der Steuerhinterziehung gehört (Rz. 7, 76), kann auch eine im Ausland begangene Hinterziehung einer deutschen Steuer (Rz. 3) direkt nach § 370 Abs. 1–5 AO geahndet werden. Die Hinterziehung deutscher Steuern ist stets eine Inlandstat.
Rz. 296 einstweilen frei
13.2 Doppelbestrafung
Rz. 297
Die Ahndung von Auslandstraftaten kann im Einzelfall die Möglichkeit der Doppelbestrafung eröffnen. Wenn z. B. Waren von Deutschland ins Ausland geschmuggelt werden, ist die Strafbarkeit in beiden Staaten gegeben. Die Aburteilung der Tat und die Strafvollstreckung im Ausland bewirken keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 3 GG, der es zwar verbietet, jemanden wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrfach zu bestrafen. Der Grundsatz "ne bis in idem" gilt aber für die Verfolgung und Verurteilung aufgrund deutscher Strafbestimmungen. Ausländische Verurteilungen – auch wegen desselben Lebenssachverhalts – bleiben unbeachtet. Werden wegen derselben Tat i. S. d. § 264 StPO Strafen im Ausland vollstreckt bzw. hat der Täter vorläufige Freiheitsentziehungen, z. B. durch Untersuchungs- oder Polizeihaft, erlitten, schreibt § 51 Abs. 3 StGB in diesem Zusammenhang eine Anrechnung auf die neue in der Bundesrepublik verhängte Sanktion zwingend vor.
13.3 Verfahrenseinstellung bei Auslandstaten
Rz. 298
Neben der Anrechnung der ausländischen Strafvollstreckung (Rz. 297) ergibt sich nach § 153c StPO außerdem die Möglichkeit, von der weiteren Strafverfolgung abzusehen. Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (Vor §§ 385–408 AO Rz. 8, 9) entscheidet über dessen Einstellung die Staatsanwaltschaft bzw. die Finanzbehörde i. S. v. § 386 AO, wenn sie die Ermittlungen nach § 399 AO eigenverantwortlich führt, ohne zur Einschaltung eines Richters gezwungen zu sein. Das in § 152 StPO verankerte und stets zu beachtende Legalitätsprinzip wird bei Auslandstaten somit zugunsten weit gefasster Opportunitätsregelungen durchbrochen. Im Einzelnen besteht vor Anklageerhebung eine Nichtverfolgungsmöglichkeit, wenn
- allgemein die Tat im Ausland begangen wurde,
- der Tatort zwar im Inland liegt, der Täter aber Ausländer ist und Tatort ein ausländisches Schiff oder Luftfahrzeug war,
- im Ausland schon eine Strafvollstreckung stattgefunden hat und die neue (inländische) Strafe nicht erheblich höher wäre,
- der mutmaßliche Täter im Ausland freigesprochen worden ist,
- das Strafverfahren einen schweren Nachteil für die Bundesrepublik herbeiführen würde oder sonstige überwiegende Interessen der Strafverfolgung entgegenstehen.
Rz. 299
Nach Erhebung der öffentlichen Klage kann die Staatsanwaltschaft in den von § 153c Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 StPO umfassten Fällen die Anklage jederzeit zurücknehmen und das Verfahren ohne Beteiligung des für das Hauptverfahren zuständigen Gerichts einstellen, wenn sie schwere Nachteile für die Bundesrepublik befürchtet oder ansonsten überwiegende öffentliche Interessen tangiert wären.