Dr. Karsten Webel, Dr. Wolfgang Dumke †
3.3.2.1 Nichtabgabe von Steuererklärungen
Rz. 57
Ist ein Stpfl. nach § 149 S. 1 AO i. V. m. einer Vorschrift eines Einzelsteuergesetzes oder nach § 149 S. 2 AO aufgrund einer Aufforderung der Finanzbehörde zur Abgabe einer Steuererklärung (s. Rz. 50) verpflichtet, so lässt er, wenn er die Erklärung nicht abgibt, die Finanzbehörde pflichtwidrig in Unkenntnis über die Tatsachen, die in der Steuererklärung anzugeben wären (zum Taterfolg Rz. 84). Der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist durch das Unterlassen der Erklärungsabgabe erfüllt.
Das gilt auch für die Nichtabgabe von Steueranmeldungen (s. Rz. 50; § 150 Abs. 1 S. 2 AO), also z. B. die Nichtabgabe von LSt-Anmeldungen, USt-Voranmeldungen, Anmeldungen der "Künstlersteuer" nach § 50a Abs. 4 EStG i. V. m. §§ 73ff. EStDV und die USt-Anmeldung nach § 18 Abs. 1 UStG.
Rz. 58
Die Steuerhinterziehung durch Nichtabgabe der Steuererklärung setzt das Bestehen der Steuererklärungspflicht voraus. Bei der Nichtabgabe ist die Finanzbehörde befugt, die Steuerfestsetzung im Weg der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen. Diese geschätzte Steuerfestsetzung lässt nach § 149 Abs. 1 S. 4 AO die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung unberührt (s. § 149 AO Rz. 5), sodass das Unterlassen der Abgabe weiterhin pflichtwidrig bleibt.
Rz. 58a
Dies ändert sich gem. § 393 Abs. 1 AO grundsätzlich auch nicht durch die Einleitung des Steuerstrafverfahrens (s. § 397 AO Rz. 4).
Dieser Fortbestand der steuerlichen Erklärungspflicht gilt strafrechtlich allerdings dann nicht, wenn der Beschuldigte durch die nachträgliche Erfüllung der steuerlichen Pflicht seine vorausgegangene Steuerhinterziehung vollständig oder teilweise offenbaren müsste. Ist also gegen den Beschuldigten ein Strafverfahren wegen des Verdachts der USt-Hinterziehung durch Abgabe unrichtiger USt-Voranmeldungen eingeleitet und bekannt gegeben worden, so ist die Nichtabgabe der USt-Jahreserklärung für den Zeitraum, in den die betreffenden USt-Voranmeldungen gehören, strafrechtlich nicht pflichtwidrig. Ist gegen den Beschuldigten ein Strafverfahren wegen des Verdachts der ESt-Hinterziehung durch Nichtabgabe der ESt-Erklärung eingeleitet, so ist die weitere Nichtabgabe für den durch die Einleitung betroffenen Besteuerungszeitraum strafrechtlich nicht pflichtwidrig. Durch die Steuerhinterziehung durch Abgabe unrichtiger Steuererklärungen (s. Rz. 41) wird die Strafbarkeit der Verletzung der Steuererklärungspflicht für die folgenden Besteuerungszeiträume nicht berührt, sodass sowohl die folgende Nichtabgabe als auch die wahrheitswidrige Abgabe unrichtiger Steuererklärungen zu ahnden ist.
3.3.2.2 Verspätete Abgabe von Steuererklärungen
Rz. 59
Bei einer verspäteten Abgabe einer Steuererklärung oder Steueranmeldung (s. Rz. 58) wird die Finanzbehörde für die Zeit der Verspätung in Unkenntnis der Tatsachen gelassen. Sie kann die Tatsachen der Besteuerung nicht zugrunde legen. Eine Verkürzung in der Form der nicht rechtzeitigen Festsetzung (§ 370 Abs. 4 AO; s. Rz. 102) kann die Folge sein.
Eine Verspätung i. d. S. liegt vor, wenn die Abgabe der Steuererklärung nicht innerhalb der gesetzlichen oder der von der Finanzbehörde eingeräumten Frist erfolgt. Abgegeben ist die Steuererklärung im Zeitpunkt des Zugangs bei der zuständigen Behörde (s. § 149 AO Rz. 5).
Der Abgabetermin für die Steuererklärung ergibt sich aus dem jeweiligen Einzelsteuergesetz bzw. aus der Fristsetzung durch die Finanzbehörde. Wird die Steuererklärungsfrist rückwirkend verlängert, so wird hierdurch eine Pflichtverletzung rückwirkend geheilt. Damit entfällt die Rechtsgrundlage für die Ahndung nach § 370 AO.
3.3.2.3 Unterlassen der Berichtigung von Steuererklärungen nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO
Rz. 60
Nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO ist ein Stpfl., der nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkannt hat, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Steuererklärung unrichtig oder unvollständig ist und es dadurch zu einer Steuerverkürzung gekommen ist oder kommen kann, zur unverzüglichen Anzeige und in der Folge zur Richtigstellung verpflichtet. Diese inhaltliche Korrektur muss nicht mit der Anzeige gemeinsam erfolgen und sie ist nach dem Wortlaut des § 153 A...