Dr. Karsten Webel, Dr. Wolfgang Dumke †
7.3.1 Allgemeines
Rz. 147
Die Steuerhinterziehung ist ein Erfolgsdelikt (s. Rz. 7, 147), die strafrechtliche formelle Vollendung der Straftat tritt erst ein, wenn alle Tatbestandsmerkmale des § 370 AO erfüllt sind (s. § 369 AO Rz. 41). Die Steuerhinterziehung ist also solange unvollendet und damit noch im Versuchsstadium (s. Rz. 135), wie der Taterfolg, also die Steuerverkürzung oder die Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils (s. Rz. 76), noch nicht eingetreten ist.
Rz. 148
Dies gilt allerdings nicht, wenn der Nichteintritt des Taterfolgs darauf beruht, dass die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen ermäßigt worden ist oder der Steuervorteil aus anderen Gründen beansprucht werden konnte. Ist der Taterfolg nur dadurch gegeben, dass das Kompensationsverbot eingreift (s. Rz. 110), so ist die Tat als vollendete Steuerhinterziehung und nicht als Versuch zu ahnden. Die Strafmilderungsmöglichkeit des Versuchs (s. Rz. 137) besteht nicht.
7.3.2 Eintritt der Vollendung
7.3.2.1 Grundlagen
Rz. 149
Die Tathandlung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1–3 AO (s. Rz. 36) muss den Taterfolg bewirken (s. Rz. 75). Die Steuerhinterziehung ist rechtlich mit Eintritt des Taterfolgs vollendet (s. Rz. 147). In diesem Zeitpunkt beginnt die Strafverfolgungsverjährung (s. Rz. 268). Tritt der Taterfolg nicht ein, so kommt, sofern dies nicht auf dem Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 S. 3 AO beruht (s. Rz. 110), nur eine versuchte Steuerhinterziehung in Betracht (s. Rz. 148).
Die Vollendung der Steuerhinterziehung ist nur abhängig vom Eintritt des Taterfolgs. Sie wird nicht durch die vorherige Tatentdeckung ausgeschlossen. Auch die Entdeckung unmittelbar nach Eintritt der Verkürzung (s. Rz. 84) hat keinen Einfluss auf die Vollendung. Die Vollendung der Steuerhinterziehung tritt auch ein in den Fällen, in denen der Tatbeteiligte der steuerlichen Außenprüfung nach § 193 AO unterliegt. Maßgeblicher Zeitpunkt ist auch hier der Eintritt des Taterfolgs. Spätere Änderungen des Steuerbescheids haben auf die Vollendung keinen Einfluss.
Die Vollendung der USt-Hinterziehung wird nicht durch die Rückgängigmachung des der Hinterziehung zugrunde liegenden, nicht gebuchten umsatzsteuerpflichtigen Geschäftsvorfalls durch nachträgliche Vereinbarung aufgehoben. Allerdings ist dies im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen (s. Rz. 214).
7.3.2.2 Beispiele
7.3.2.2.1 Vollendete Steuerverkürzung
Rz. 150
Besteht der Taterfolg der Steuerhinterziehung in einer Steuerverkürzung (s. Rz. 84), so ist zu unterscheiden:
Rz. 151
Bei der Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, z. B. durch Nichtabgabe bzw. verspätete Abgabe der Steuererklärung (s. Rz. 57, 59), ist die Steuerhinterziehung mit dem Taterfolg Steuerverkürzung (s. Rz. 84) vollendet, wenn die Steuerfestsetzungen für diesen Vz im Zuständigkeitsbereich des jeweiligen FA allgemein abgeschlossen sind. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, zu dem bei ordnungsgemäßer Abgabe der Steuererklärung auch für den unterlassenden Täter die Steuerfestsetzung (s. Rz. 94, 95) bei dem für ihn zuständigen Arbeitsgebiet erfolgt wäre. Hierbei wird man im Zweifel unterstellen müssen, dass der Täter als letzter in diesem Arbeitsgebiet veranlagt worden wäre. Das kann jedoch für diejenigen Fälle nicht gelten, in denen aus besonderen Gründen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Steuerfestsetzung schon vorher stattgefunden hätte, wenn die zuständige Finanzbehörde diesen Nachweis erbringen kann.
Wird zuvor die Steuer mit Schätzung der Besteuerungsgrundlagen festgesetzt, so ist die Steuerhinterziehung mit Bekanntgabe des Steuerbescheids vollendet (s. Rz. 150), sofern die Steuer zu niedrig festgesetzt wurde. Wird die Steuer nach dem Abschluss der Veranlagungsarbeiten festgesetzt, ist für die Vollendung dieser Zeitpunkt maßgeblich.
Bei dem Unterlassen einer Steueranmeldung (s. Rz. 96) ist die Tat mit Ablauf der Erklärungsfrist beendet.