Dr. Karsten Webel, Dr. Wolfgang Dumke †
9.2.2.1 Allgemeines
Rz. 186
Besteht das Gesamtverhalten des Tatbeteiligten aus einer oder mehreren einzelnen Handlungen und werden hierdurch mehrere Straftatbestände oder derselbe Straftatbestand mehrmals rechtswidrig und schuldhaft erfüllt, so ist die Strafe abhängig davon, ob Tateinheit i. S. v. § 52 StGB oder Tatmehrheit i. S. v. § 53 StGB vorliegt (s. § 369 AO Rz. 60).
Ob das Verhalten eines Gehilfen eine Einheit oder Mehrheit von Handlungen bildet, beurteilt sich nicht nach der Haupttat, sondern nach dem Tatbeitrag, den der Beteiligte geleistet hat. Beziehen sich mehrere Hilfeleistungen auf eine Tat, liegt nur eine Beihilfe vor. Fördert der Gehilfe durch eine Handlung mehrere Haupttaten eines oder mehrerer Haupttäter, liegt ebenfalls nur eine einheitliche Beihilfe vor.
9.2.2.2 Hinterziehung verschiedener Steuern
Rz. 187
§ 370 AO schützt jeden einzelnen Steueranspruch (s. Rz. 1). Bei der Hinterziehung verschiedener Steuern liegen deshalb i. d. R. mehrere selbstständige Taten vor. Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als eine selbstständige Tat i. S. v. § 53 StGB zu werten. Von Tatmehrheit ist also dann auszugehen, wenn die abgegebenen Steuererklärungen verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Stpfl. betreffen.
Rz. 188
Von nur einer Steuerhinterziehung ist aber auszugehen, wenn
- durch eine unrichtige Steuererklärung (s. Rz. 50) mehrere Steuern verkürzt, z. B. durch die unrichtige ESt-Erklärung sowohl die ESt, die – sofern die Hinterziehung strafbar ist – KiSt (s. Rz. 80) als auch die Vorauszahlungen auf die ESt (s. Rz. 81, 278) zu niedrig festgesetzt werden.
durch eine unrichtige Erklärung (s. Rz. 51) ein Steuervorteil gewährt wird, der mehrere Steuern berührt, z. B. durch den unrichtigen Stundungsantrag werden mehrere Steuern gestundet (s. Rz. 107; vgl. Henke, DStZ 1959, 337).
- durch mehrere gleichzeitig abgegebene Steuererklärungen, in denen übereinstimmend unrichtige Angaben gemacht worden sind, mehrere Steuern verkürzt wurden. Entscheidend ist, dass die Abgabe der Steuererklärungen in einem äußeren Vorgang zusammentrifft und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind. Übereinstimmende unrichtige Angaben i. d. S. können z. B. im Verhältnis von KSt- und USt-Hinterziehung oder im Verhältnis von ESt-, GewSt- und USt-Hinterziehung vorliegen, weil hier die unterschiedlichen Angaben über die steuerlich erheblichen Tatsachen in den verschiedenen Steuererklärungen letztlich jeweils denselben Lebenssachverhalt betreffen.
Rz. 189
- bei der Steuerhinterziehung durch pflichtwidriges Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 AO; Rz. 54) mehrere Pflichten durch ein und dieselbe Handlung zum gleichen Zeitpunkt zu erfüllen waren. Sind mehrere Steuererklärungen zum gleichen Zeitpunkt abzugeben, so liegt auch dann keine Tateinheit vor, wenn die Unterlassung auf einem einheitlichen Entschluss beruht und in den Erklärungen teilweise die gleichen Angaben zu machen gewesen wären.
Rz. 190
- bei einer zunächst fehlgeschlagenen versuchten Steuerhinterziehung (s. Rz. 135, 136) der Versuch hinsichtlich derselben Steuer durch weitere falsche Angaben (s. Rz. 44), z. B. im Einspruchsverfahren oder im Rahmen der Betriebsprüfung, fortgesetzt wird, auch wenn diese nachfolgenden Handlungen auf einem neuen Tatentschluss beruhen.
Rz. 190a
- bei der USt-Hinterziehung (s. Rz. 283).
9.2.2.3 Tateinheit – § 52 StGB
Rz. 191
Soweit nur eine Steuerhinterziehung vorliegt (s. Rz. 187), und wenn durch dieselbe Handlung noch andere Strafgesetze verletzt werden, deren Anwendung nicht durch Gesetzeskonkurrenz (s. § 369 AO Rz...