Dr. Karsten Webel, Dr. Wolfgang Dumke †
9.3.1.1 Verfahren
Rz. 196
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen.
Rz. 196a
Die Darstellung der Strafzumessungserwägungen in den Urteilsgründen muss nicht sämtliche möglichen Gesichtspunkte abhandeln, sondern es ist ausreichend, die die Entscheidung bestimmenden Zumessungsgründe anzuführen.
Rz. 196b
Die Nachprüfung der Strafzumessung im Revisionsverfahren ist eingeschränkt. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn
- die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, insbesondere ein falscher Strafrahmen (s. Rz. 176) angewandt worden ist,
- das Tatgericht rechtlich anerkannte Strafzwecke nicht beachtet,
- sich die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung als gerechter Schuldausgleich (s. Rz. 196) so weit nach oben oder unten (s. Rz. 201) inhaltlich löst, dass ein grobes Missverhältnis von Schuld und Strafe offenkundig wird.
Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die Bewertung des Tatrichters hinnehmen, auch wenn eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre oder vielleicht sogar nahegelegen hätte.
9.3.1.2 Schuld des Tatbeteiligten
9.3.1.2.1 Grundlagen
Rz. 197
Die Strafzumessung hat gem. § 46 Abs. 1 S. 1 StGB nach der Schuld des Tatbeteiligten zu erfolgen (s. § 369 AO Rz. 85a). Dieses aus Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip entspringende verfassungsrechtliche Gebot schuldangemessenen Strafens fordert für eine Bestrafung zum einen das Vorliegen von Schuld und zum anderen ein angemessenes Verhältnis zwischen Verschulden und Sanktion.
Die Strafzumessung richtet sich nach der Schwere der Tat, ihrer Bedeutung im Rahmen der Rechtsordnung und dem Grad der persönlichen Schuld des einzelnen Tatbeteiligten. Die Strafe muss entsprechend dem Unrechtsgehalt der Tat festgesetzt werden. Hierbei steht dem Strafgericht innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens (s. Rz. 176, 203) ein Beurteilungsspielraum zu.
Bei der Bemessung der Strafe für die Beihilfe zur Steuerhinterziehung (zur Milderung s. Rz. 181) ist maßgeblich das im Gewicht des Tatbeitrags des Gehilfen zum Ausdruck kommende Maß seiner Schuld, wenn auch unter Berücksichtigung des ihm zurechenbaren Umfangs und der Folgen der Haupttat.
Rz. 197a
Die Schuld des Tatbeteiligten ist der Hauptgesichtspunkt der Strafzumessung. Hiervon ausgehend kann das Gericht bei der Strafzumessung auch generalpräventive oder spezialpräventive Gesichtspunkte berücksichtigen. Diese anderen Gesichtspunkte sind aber nur insoweit mitbestimmend, als sie die Strafe nicht vom Schuldprinzip lösen dürfen.
Rz. 198
Bei der Strafzumessung sind auch nach § 46 Abs. 1 S. 2 StGB die Wirkungen zu berücksichtigen, die durch die Strafe für das zukünftige Leben des Tatbeteiligten in der Gesellschaft zu erwarten sind. Hierzu zählen auch die Wechselwirkungen der aufeinander abzustimmenden Strafen und strafrechtlichen Nebenfolgen (s. Rz. 243), z. B. die Einziehung nach § 375 AO. Auch zwingende disziplinarrechtliche Rechtsfolgen bei der Straftat eines Beamten (s. Rz. 257) sind bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Auch das drohende Berufsverbot (s. Rz. 247) ist zu berücksichtigen (s. Rz. 217).
Rz. 199
Bei Steuerhinterziehungen mit geringem Unrechtsgehalt kann von der Strafverfolgung abgesehen und das Verfahren eingestellt werden (s. Rz. 173; s. Erl. zu § 398 AO).
Rz. 199a
Bei der Strafaussetzung zur Bewährung (s. Rz. 176) ist nach § 56 Abs. 1 StGB auf die Sozialprognose abzustellen, ob zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkungen des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Hierbei darf zulässiges Verteidigungsverhalten sich nicht zulasten des Angeklagten auf die Prognoseentscheidung auswirken. Der Wille des Gerichts, dem Tatbeteiligten für eine zu verhängende Freiheitsstrafe eine Strafaussetzung auf Bewährung (s. Rz. 176) zu bewilligen, darf aber nicht dazu führen, dass die schuldangemessene Strafe (s. Rz. 197) unterschritten wird. Um die Schuldangemessenheit der zur Bewährung ausgesetzten Freihe...