Rz. 32
Nicht strafbefreiend wirkt eine Selbstanzeige hinsichtlich sonstiger Straftaten, die keine Steuerstraftaten sind (z. B. eine Urkundenfälschung), auch wenn sie im Rahmen einer wirksamen Selbstanzeige einer Steuerhinterziehung aufgedeckt werden, und unabhängig davon, ob zur Steuerhinterziehung Tateinheit oder Tatmehrheit besteht. Der Verfolgbarkeit dieser nichtsteuerlichen Straftaten, die gemeinsam mit einer Steuerhinterziehung begangen wurden, steht § 393 Abs. 2 AO nicht entgegen.
Rz. 32a
Fraglich ist, ob dies auch im Hinblick auf die Geldwäsche i. S. d. § 261 StGB gilt. Diese Frage ist im Hinblick auf die am sog. All-Crime-Ansatz der zum 18.3.2021 in Kraft getretenen Novelle des § 261 StGB verschärft in den Fokus gerückt worden, da nun nichtmehr nur eine bestimmte Gruppe von Straftaten, die sich durch besonderes Gewicht oder spezifische Nähe zur Organisierten Kriminalität auszeichnen, Vortaten und damit Anknüpfungspunkt der Geldwäsche sein können, sondern jede rechtswidrige Tat i. S. v. § 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB. Folglich kommen mit Blick auf die Steuerhinterziehung nicht mehr nur Fälle der gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Steuerhinterziehung nach § 373 AO oder § 374 Abs. 2 AO als Vortat der Geldwäsche in Frage, sondern schlichtweg jede Steuerhinterziehung. Wurde eine Steuerhinterziehung als Vortat einer Geldwäsche begangen, indem der Täter einer Umsatzsteuerhinterziehung, der aufgrund seiner Tat eine Vorsteuererstattung erhielt und dann mit dem Überweisungsbetrag Waren kaufte, so ist es fraglich welche Wirkung einer Selbstanzeige nach § 371 AO zukommt.
So kann man durchaus die Ansicht vertreten, dass man durch die Selbstanzeige lediglich im Hinblick auf § 370 AO straffrei wird. Durch diese Straffreiheit würde die Strafbarkeit wegen Geldwäsche wiederaufleben, da § 261 Abs. 7 StGB nicht eingreift, weil es an einer Strafbarkeit wegen der Vortat fehlt. Darüber hinaus könnte – sofern die Selbstanzeige lediglich bei der Finanzbehörde abgegeben wurde – die Geldwäsche entdeckt sein und damit die freiwillige Anzeige nach § 261 Abs. 8 Nr. 1 StGB gesperrt sein. Folglich wäre der Täter wegen Geldwäsche zu bestrafen. Dafür könnte sprechen, dass es sich bei der Steuerhinterziehung und der Geldwäsche um zwei selbständige Taten mit unterschiedlichen Rechtsgütern handelt, sodass an die jeweiligen Selbstanzeigen auch unterschiedliche Anforderungen zu stellen sind.
Rz. 32b
Dabei wird jedoch verkannt, dass es sich insoweit um eine rein formale Frage handelt: Richtet der Täter die vollständige Selbstanzeige nur an die Finanzbehörde, so verbliebe seine Strafbarkeit wegen Geldwäsche. Würde er die identische Erklärung hingegen an die Finanzbehörde und die StA schicken, so würde er – umfassender Sicherstellung und Wiedergutmachung vorausgesetzt – wegen beiden Delikten straffrei sein. Da es sich lediglich um die Frage des richtigen Adressaten der Selbstanzeige handelt, verliert die Bestrafung wegen der Geldwäsche aber ihren Sinn und stellt einen sachlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Grundrechte des Bürgers dar. Folglich ist davon auszugehen, dass durch eine Selbstanzeige oder eine Einstellung i. S. d. § 398a AO Beträge, die dem Tatbestand der Geldwäsche unterfallen, "dekontaminiert" werden.
Da das Verhältnis zwischen der steuerstrafrechtlichen Selbstanzeige nach § 371 AO und der freiwilligen Anzeige nach § 261 Abs. 8 Nr. 1 StGB noch nicht abschließend geklärt ist, sollte in all den Fällen, in denen der Täter einer Steuerhinterziehung eine unberechtigte Erstattung erhalten hat, über die er später verfügt hat, neben einer vollständigen Selbstanzeige nach § 371 AO auch eine Erklärung nach § 261 Abs. 8 StGB abgegeben werden.